Freie Presse Chemnitz, 04.12.2006
Weissgerbers Attacke auf Weiss gilt SPD-Landeschef Jurk
Vor dem Landesparteitag ist Streit um den Fraktionsvorsitz ausgebrochen
Dresden. In der sächsischen SPD ist Streit über die Führung der Landtagsfraktion ausgebrochen. In einem Brief an alle 13 Abgeordneten seiner Partei hat der Leipziger Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber Fraktionschef Cornelius Weiss aufgefordert, bei der Wahl am 19. Januar sein Amt abzugeben. Die SPD benötige auch im Hinblick auf die Wahl 2009 ein Personalangebot, das "realistisch in die Zukunft weist".
Weißgerbers Attacke belastet das Klima in der SPD vor dem Landesparteitag am Samstag in Oschatz. In einem überzeugenden Ergebnis bei seiner angestrebten Wiederwahl als Parteivorsitzender sucht Landesvorsitzender Thomas Jurk die Bestätigung für seinen Kurs innerhalb der Koalition mit der CDU. Intern gilt das Wahlergebnis als Gradmesser der Stärke, mit der Jurk Einfluss auf die Besetzung des Fraktionsvorsitzes nehmen kann.
Der auf Harmonie bedachte Landesvorsitzende favorisiert Weiss. Der 73jährige Ex-Rektor der Leipziger Universität unterstützt in moderater Weise den Regierungskurs. Zudem fungiert er als Platzhalter, wenn Jurk nach einem Scheitern der Koalition in sein früheres Amt zurückkehren möchte. "Politisch absurd" nennt Weiss den Vorschlag, "mitten im Fluss die Pferde zu wechseln". Die Entscheidung liege in den Händen der Fraktion. Die hatte sich bereits 2004 schwer getan. Neben Weiss kandidierten damals noch
Karl Nolle, Simone Raatz und Johannes Gerlach um den mit doppelten Diäten und Dienstwagen honorierten Posten. Weiss machte das Rennen im dritten Wahlgang. Gerlach genießt auch vor der turnusmäßig fälligen Neuwahl die Sympathien einiger Abgeordneter. Antreten würde er aber nicht gegen Weiss, betont der Zschopauer.
Solche Skrupel werden Stefan Brangs nicht nachgesagt. Der Gewerkschaftsmann würde gegen Weiss antreten, würde er vorgeschlagen, heißt es in der SPD. Mit Brangs könnte das Klima in der Koaliton frostiger werden, fürchtet man in der CDU. Brangs gilt als weniger kompromissbereit. Doch der gebürtige Solinger ist nicht "mit der Politik verheiratet" und strebt angeblich ab 2009 einen gut dotierten Geschäftsführerposten an.
Angesichts der wenig ausgeprägten Homogenität in der kleinen Fraktion erstaunt es, dass zwei Namen nicht für den Fraktionsvorsitz gehandelt werden. Martin Dulig, der junge Aufsteiger als parlamentarischer Geschäftsführer, hat bereits abgewunken. Ihm sagt man einen Tanz auf zu vielen Hochzeiten nach. Ohne Karriereabsichten ist auch der bekannteste Sozialdemokrat. "Nolle will Nolle bleiben", meldet der SPD-Flurfunk.
Von Hubert Kemper