DNN/LVZ, 31.12.2006
Tauziehen in der Sachsen-SPD um Fraktionsspitze
Weiss wirft seinen Hut erneut in den Ring
Dresden. Vor zwei Jahren hatte der frisch Gekürte die Perspektive noch selbst benannt. Als neuer Chef der SPD-Landtagsfraktion sei er nur eine Art Übergangslösung, sagte Cornelius Weiss nach den Vorstandswahlen Ende 2004. Danach müsse sich die Fraktion „verjüngen und behutsam einen Nachfolger aufbauen". Mittlerweile ist es soweit. In wenigen Wochen soll der Fraktionsspitze der 9,8-Prozent-Partei neu gewählt werden, ein Kandidat für die Weiss-Nachfolge von Gewicht aber ist nicht in Sicht.
Heftige Verwerfungen
Das führt seit Wochen zu heftigen Verwerfungen. Im Wahljahr 2009, ätzte der Leipziger SPD-Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber Anfang Dezember, benötige die SPD „ein Personalangebot, welches realistisch in die Zukunft weist". Weiss mit seinen 73 Jahren könne dies nicht leisten und müsse sein Amt abgeben. Und SPD-Landtagsvizepräsident Gunther Hatzsch legte nach: „Es ist in der Tat kein zukunftsweisendes Signal, den Alterspräsidenten zum Fraktionschef zu machen."
Darauf aber scheint es nach Lage der Dinge hinaus zu laufen. So steht seit gestern fest, dass Weiss seinen Hut erneut in den Ring wirft. „Ich trete an", bestätigte er erstmals offiziell die Gerüchte um seine Kandidatur. Begründung: In der Großen Koalition gehe es weniger um einen kämpferischen Auftritt als darum, „zu vermitteln und auszugleichen". Das wolle er umsetzen - zumindest bis 2008. „Wie's ein Jahr vor der Wahl aussieht, ist eine andere Frage", sagte Weiss dieser Zeitung. „Glaubwürdiger ist dann ein anderer Kandidat."
Das entspricht ganz offensichtlich der taktischen Linie der SPD-Führung
in Sachsen. Bis zum Wahljahr 2009 wollen die Sozialdemokraten mit Landeschef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk an der Spitze einen halbwegs moderaten Kurs gegenüber der CDU fahren, um vor dem Termin dann eine härtere Gangart einzuschlagen - mit einem neuen, jüngeren Kandidaten. Bis dahin aber scheint Weiss als Interimslösung gleich doppelt ins Konzept zu passen. Zum einen gilt er im Gegensatz zur staatstragend-konservativen Gruppe um Weißgerber und Hatzsch als Jurk-Vertrauter; zum anderen ist er in der Lage, die übelsten Stolpersteine der Koalition gemeinsam mit dem 64-jährigen CDU-Fraktionschef Fritz Hähle aus dem Weg zu räumen.
Ob es bei den nahenden Fraktionsvorstandswahlen vollends ' friedlich zugehen wird, ist dennoch offen. Denn mit Stefan Brangs und Johannes Gerlach haben zwei Abgeordnete SPD-intern ebenfalls ein Auge auf den Fraktionsvorsitz geworfen. Zwar lehnen sie eine Kampfkandidatur gegen Weiss ab, SPD-Mann
Karl Nolle aber hat dennoch Bedenken. „Die, die kandidieren, sollen klar Position beziehen und nicht hinterm Busch abwarten", meint er.
Dahinter steht die Befürchtung, dass die Jurk-Gegner in der Fraktion Weiss auch ohne Gegenkandidat die Stimme verweigern könnten. Dann aber müsste der 73-Jährige zurückziehen, und es wäre Platz für einen Zweikampf Brangs-Gerlach.
Wahl verschoben
Um dem vorzubeugen, soll jetzt erst mal die Vorstandswahl um ein paar Wochen vorschoben werden. Grund: Der Wahlgang sollte ursprünglich am 19. Januar über die Bühne gehen, da aber ist Jurk in Indien. Und Weiss braucht jede Stimme.
von Jürgen Kochinke