Sächsische Zeitung, 20.01.2007
SPD-Chef Weiss tritt 2008 ab
Vorstandswahl. Der Führungsstreit in der Landtagsfraktion wird um zwölf Monate vertagt.
Keine fünf Minuten, nachdem die zwölf SPD-Landtagsabgeordneten am Freitag in geheimer Wahl ihren neuen Fraktionsvorstand gewählt hatten, wusste Parteichef und Vize-Ministerpräsident Thomas Jurk im fernen Indien bereits Bescheid: Es hatte für seinen Favoriten klar gereicht.
Der 73-jährige Cornelius Weiss bleibt Chef der SPD-Fraktion und konnte sich bei der Abstimmung mit zehn Ja- und zwei Gegenstimmen sogar deutlich durchsetzen. Seine beiden Kritiker – Johannes Gerlach, der im Vorfeld Ambitionen auf den Chefposten angemeldet hatte, sowie Gunther Hatzsch – scheiterten in der Fraktion mit ihrer Forderung nach einem sofortigen Führungswechsel.
Doch Weiss musste für den Erfolg noch mal tief in die Trickkiste greifen. So legte er kurz vor der Abstimmung überraschend ein Kompromissangebot auf den Tisch: Er werde im Fall seiner Wiederwahl nur noch ein Jahr im Amt bleiben und danach den Weg für einen jüngeren Fraktionsvorsitzenden frei machen, der die SPD in den erwartet schweren Landtagswahlkampf 2009 führen soll. Die meisten der in der Führungsfrage heillos zerstrittenen Fraktionskollegen akzeptierten. Mit Weiss wurden danach auch alle bisherigen Mitglieder des Fraktionsvorstandes – Stefan Brangs, Simone Raatz und Margit Weihnert – auf ihren Posten bestätigt.
Nach der Wahl lobte Weiss zufrieden den „Korpsgeist“ der Abgeordneten, durch den es gelungen sei, den langwierigen Streit beizulegen. „Ich bin stolz, dass den meisten die Sache wichtiger war als Ämter.“ Dass er nun ein Chef auf Abruf ist, ficht ihn offiziell nicht an. Er sei auch künftig kein zahnloser Tiger, warnte Weiss potenzielle Heckenschützen in den eigenen Reihen.
Die Kritiker sind enttäuscht
Gunther Hatzsch und Johannes Gerlach konnten den anwesenden Journalisten nur noch ihre Enttäuschung zu Protokoll geben. „Ich bin unzufrieden über das Ergebnis, das ist kein Neuaufbruch. Ein Jüngerer ist dringend nötig“, sagte Hatzsch, während Gerlach von einem „falschen Weg“ sprach. Letzterer ließ zudem offen, ob er in einem Jahr überhaupt als Bewerber antritt. Andere Nachfolge-Kandidaten wie Innenpolitiker Brangs gaben sich dagegen staatsmännisch. „Diese Lösung ist angemessen, und sie gibt der Fraktion ein klare Perspektive“, sagte er nicht unzufrieden.
Für viele in der SPD hat damit der Kampf ums Weiss-Erbe begonnen. Und nicht jeder ist glücklich darüber, dass der über zwölf Monate geht. „Die Gefahr, sich gegenseitig zu blockieren, ist groß.“ Daher gibt es für einige auch andere Varianten. Vieldeutig wurde darauf verwiesen, dass sich die Fraktion gestern nur bei einer Personalie einig war: Der 32-jährige parlamentarische Geschäftsführer Martin Dulig wurde als Einziger mit allen zwölf Stimmen im Amt bestätigt.
Von Gunnar Saft