Sächsische Zeitung, 10.02.2007
Jurk stellt CDU ein Ultimatum
Koalitionskrise. Der Streit um ein Energieprogramm offenbart tiefe Risse in der sächsischen Regierung.
Die beiden sächsischen Regierungspartner SPD und CDU stehen offenbar vor einer der schwersten Belastungsproben ihrer Koalition seit der Landtagswahl im Herbst 2004. So gehörten seitdem zwar kleine und große Rangeleien immer wieder zur politischen Tagesordnung, doch am Freitag gingen beide Seiten erstmals offen aufeinander los.
Den formalen Anlass dafür bot der Streit um ein neues sächsisches Energieprogramm, mit dem Vorgaben für einen effizienteren Energieeinsatz, besseren Klimaschutz sowie Preiskontrollen von Energieanbietern gemacht werden sollen. Den Entwurf dafür hatte das Wirtschaftsministerium, dem der stellvertretende Regierungschef und SPD-Vorsitzende Thomas Jurk als Minister vorsteht, längst mit allen Ministerien abgestimmt. Doch jetzt stoppte die Staatskanzlei, die Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) direkt untersteht, plötzlich das gesamte Projekt – zunächst ohne erkennbaren Grund.
Ein Szenario, das Jurk bereits kennt. So hatten die CDU-Minister im Kabinett bereits vor drei Wochen ein wichtiges Projekt des SPD-Ministers, bei dem es um die Neuverteilung von Fördermitteln ging, überraschend gekippt. Jurk vermutet nun in der neuerlichen Verweigerungshaltung Methode und prescht nach vorn. Ohne das Wort von einem drohenden Bruch der Koalition in den Mund zu nehmen, stellte er seinem Regierungspartner ein Ultimatum. Tenor: Entweder hört die CDU mit ihren ständigen Querschüssen auf oder die SPD werde künftig handeln – was auch immer das heißt. „Wir lassen uns nicht länger als kleiner Regierungspartner demütigen“, wetterte der SPD-Chef. Das Vorgehen im Fall des Energieprogramms sei „reine Schikane“. Die CDU solle endlich zu einer Regierungspolitik im Interesse des Landes zurückkehren.
Letzter Ausweg: Grüner Tisch
Dort ging man auf die Vorhaltungen aber gar nicht ein. Stattdessen wurde der Grund nachgeliefert, warum man sich erneut querstellt. „Ministerpräsident Milbradt ist in Sorge um viele Arbeitsplätze in der Braunkohle“, heißt es in der Staatskanzlei. Tatsächlich setzt Jurks Entwurf stärker auf erneuerbare Energien statt auf Braunkohle. Das alte Programm von 2004, das die Braunkohle favorisiert, reiche doch aus, hält nun Milbradt gegen. Und auch Umweltminister Stanislaw Tillich (CDU), der dem Jurk-Papier bereits zugestimmt hatte, glaubt nun an ernste Probleme. Jurks Hinweis, dass deshalb kein einziger heimischer Kohle-Arbeitsplatz gefährdet sei, lässt die CDU kalt. Dafür weist man den SPD-Mann offen in die Schranken. „Auch ein Vize-Ministerpräsident muss einsehen, dass er weniger Rechte als der Ministerpräsident hat“, erklärte Staatskanzlei-Chef Hermann Winkler (CDU).
Jurk zog nun erst einmal die Notbremse und rief für Mittwoch den Koalitionsausschuss ein. Das Ergebnis dieser Krisenrunde gilt als völlig offen. Alles scheint möglich.
Von Gunnar Saft