Agenturen, ddp-lsc, 14:12 Uhr, 20.05.2007
Akten statt Auszüge - Justizminister und Opposition warnen Verfassungsschutz vor Herausgabe stark gefilterter Informationen
Dresden (ddp-lsc). In der Affäre um jahrelang geheim gebliebene Informationen über angebliche Verbindungen sächsischer Politiker und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen wächst der Druck auf das Innenministerium. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) und die oppositionelle Linkspartei.PDS warnten den Verfassungsschutz, der dem Innenministerium untersteht, am Wochenende davor, die von ihm angelegte umfangreiche Datensammlung lediglich stark gefiltert an die Staatsanwaltschaft zu übergeben. CDU-Fraktionsvize Frank Kupfer forderte zudem die Ablösung des Verfassungsschutzpräsidenten Rainer Stock.
Am Freitag hatte das Innenministerium angekündigt, dass das Landesamt Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm und Generalbundesanwältin Monika Harms nicht seine bislang geheimen Akten, sondern lediglich die daraus verwertbaren Inhalte übergeben will. Dazu würden derzeit die Erkenntnisse in schriftlicher Form aufbereitet.
Mackenroth zeigte zwar Verständnis dafür, dass der Verfassungsschutz seine Quellen schützen müsse, weshalb die Strafverfolger «nicht alle Aktenseiten» erwarten könnten. «Aber nur mit ein paar zusammenfassenden Berichten kann die Staatsanwaltschaft wenig anfangen», betonte der Minister. An Akten erwarte er vom Verfassungsschutz «so viele wie möglich».
Die Linksfraktion.PDS sprach von einer «Amtsanmaßung» durch das Landesamt. «Wenn das Innenministerium dies nicht unterbindet, macht es sich der Beihilfe dazu schuldig», erklärten Rechtsexperte Klaus Bartl und der parlamentarische Geschäftsführer André Hahn am Sonntag. Es sei zwar legitim, dass der Verfassungsschutz bei der Aktenübergabe den Quellenschutz beachte: «Aber eine Vorauswahl mit dem Filter vermeintlicher oder tatsächlicher 'Erkenntnisdichte' steht dem Verfassungsschutz definitiv nicht zu.» Dies sei Sache der Staatsanwaltschaften.
Beide verwiesen zudem auf die Empfehlung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtags, laut der «die Erkenntnisse und Unterlagen» des Verfassungsschutzes an die Staatsanwaltschaft übergeben werden sollen. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) hatte den Verfassungsschutz nach dem PKK-Votum lediglich zur Übermittlung seiner «Erkenntnisse» angewiesen. Die ersten Informationen sollen die Justiz in dieser Woche erreichen.
Bereits am Freitag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Dresden prüft, ob gegen einen Gerichtspräsidenten ein Anfangsverdacht auf Straftaten besteht. Grundlage für die Vorermittlungen ist laut Justizministerium unter anderem eine Internet-Veröffentlichung des Publizisten Jürgen Roth. Diesem zufolge hat der Verfassungsschutz Informationen gesammelt, wonach ein «Staatsanwalt eng mit dem Rotlicht verbunden sein soll, Dienstgeheimnisse verraten haben soll und Teil des mafiösen Leipziger Netzwerkes gewesen sein soll».
Nach Medienberichten reichen die in den geheimen Akten enthaltenen Vorwürfe von Amtsmissbrauch, Kinderprostitution, Bandenkriminalität und Geldwäsche bis hin zu Verstrickungen höchster Kreise in zwei Morde und einen Mordversuch in Leipzigs Immobilienbranche. Tatorte der Geschehnisse seien auch Plauen und Chemnitz.
PKK-Mitglied und CDU-Fraktionsvize Kupfer sprach sich für einen Wechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes aus. Für Stock und «vielleicht auch für seinen Stellvertreter» müsse es Konsequenzen geben, da die PKK «viel zu spät von den Akten erfahren» habe.
Von Tino Moritz
(Weitere Quellen: Mackenroth in der «Sächsischen Zeitung»; Bartl und Hahn in Mitteilung; Kupfer im «Focus»)
ddp/tmo/fgr
201412 Mai 07