DER SPIEGEL 24/2007, 10.06.2007
In Erklärungsnot
Im sächsischen Skandal um Rotlichtkontakte von Politikern, Amtsmissbrauch und Vorteilsnahme geraten Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) durch geheime Vermerke des Verfassungsschutzes erheblich in Erklärungsnot. De Maizière wird vorgeworfen, er habe in seiner Zeit als sächsischer Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags (PKK) nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über brisante Erkenntnisse des Geheimdienstes informiert. Der Kanzleramtschef behauptet, für eine PKK-Information sei die "Erkenntnisdichte" zu gering gewesen.
Aus einem Vermerk des Dienstes mit dem Aktenzeichen 307-P-491 003-4/06 geht jedoch hervor, dass die jetzt vorliegenden Fälle "zwischen April 2005 und Mitte Juli 2005 bekannt geworden" seien. Der Verfassungsschutz versichert intern, die Erkenntnisse zeitnah auch de Maizières Ministerium mitgeteilt zu haben. Demnach hätte es weitaus früher zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen können.
Auch der jetzige Innenminister Buttolo, unter de Maizière Staatssekretär, hätte offenbar viel früher einschreiten können. Obwohl das für den Geheimdienst zuständige Referat 47 schon im Jahr 2005 in seinen Zuständigkeitsbereich fiel, will Buttolo erst im März 2006 von den Netzwerken erfahren haben. Damals seien die Fälle noch immer "nicht weitergabereif" gewesen. Ein Vermerk des Verfassungsschutzes vom Sommer 2006 ist hingegen eindeutig: Im August 2006 sollten demnach fünf Vorgänge an die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Dresden gehen - wozu es nie gekommen ist. Laut Buttolo, weil sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz für die Akten interessierte.
Unterdessen sind weitere Unterlagen auf dem Weg zur Staatsanwaltschaft. Darin werden im Raum Plauen/Zwickau rund hundert Personen beschuldigt, sich mit Immobilienschiebereien, Bestechungen und Rotlichtkontakten strafbar gemacht zu haben. Die Hälfte der Verdächtigen stamme aus Polizei und Justiz.