Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 14.06.2007

Der Feuerwehrmann im Geheimdienst

Der Neue an der Spitze des Verfassungsschutzes beginnt einen schweren Job. Er muss die Aktenaffäre sauber klären.
 
Wenn Reinhard Boos auf den Chefsessel des sächsischen Verfassungsschutzes zurückkehrt, erwartet ihn sofort eine ausgesprochen heikle Aufgabe. Die Dresdner Staatsantwaltschaft verlangt nach den Akten über die mutmaßlichen kriminellen Netzwerke, in die Geschäftsleute, Beamte und Kommunalpolitiker verstrickt sein sollen. Und Boos muss dafür sorgen, dass sein Amt keine Quellen preisgibt. Sonst würde er sein Landesamt für die Zukunft zu einem besseren Zeitungsausschnittdienst abwerten, denn keiner will dann mehr als Informant arbeiten.

Das weiß der 49-jährige Jurist natürlich, denn er ist, anders als sein Vorgänger, ein gestandener Geheimdienstmann.

Vom Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln kam Boos bereits 1992 nach Sachsen, war mehrere Jahre stellvertretender Behördenleiter, ehe er 1999 an die Spitze des Amtes rückte. Er leitete den Verfassungsschutz „geräuschlos“ und war dennoch meist als Fachmann für Rechtsextremismus in den Medien. Nun übernimmt Boos für den Innenminister die Rolle des Feuerwehrmannes im Geheimdienst.

Staatsanwalt braucht Zeugen

Denn es ist Eile geboten. Innerhalb von drei Wochen will die Staatsanwaltschaft sämtliche Akten zum Komplex Korruptionsaffäre, also rund 15000 Seiten. Dem Vernehmen nach drängen die Ermittler auf Tempo, weil sie sich nicht länger Untätigkeit vorhalten lassen wollen bei der Aufklärung der Affäre. „Die drei bisher vom Verfassungsschutz übergebenen Dossiers reichen nicht für zügige Ermittlungen“, sagt Oberstaatsanwalt Avenarius. Die Frist bis 1.Juli sei angemessen. „Bis dahin kann man im Innenministerium zumindest entscheiden, welche Akten gesperrt werden müssen“, sagt Avenarius.

Damit dürfte im Verfassungsschutz wieder das große Aktenstudium einsetzen. Die Behörde muss dem Innenministerium in kürzester Zeit vorschlagen, welche Informationen aus Gründen des Quellenschutzes für die Weitergabe an die Justiz gesperrt werden müssen.

Diffizil ist die Aufgabe für den neuen Chef außerdem: Jede Information und jede Quelle, die gesperrt wird, kann in späteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht als Beweismittel dienen. „Natürlich brauchen wir in erster Linie Zeugen, um bestimmte Vorwürfe beweisen zu können“, sagt Christian Avenarius.

Je mehr der Innenminister sperrt, desto geringer werden die Chancen, die Affäre aufzuklären.
Von Thomas Schade

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: