Dresdner Morgenpost, 22.06.2007
Böse Überraschungen
Kommentar von Stefan Locke
In der Akten-Affäre geraten scheinbar alle bisher gewohnten Relationen aus den Fugen: Beinahe täglich erreichen Innenminister Albrecht Buttolo neue böse Uberraschungen aus den offenbar chaotischen Tiefen seines Amtes. Wer aber nun dachte, dass nur der Verfassungsschutz Akten vernichtete, wurde gestern eines besseren belehrt. Plötzlich findet auch die Justiz unter Minister Geert Mackenroth nicht mehr alle Dokumente zur Affäre.
Wie ernst die Lage ist, war auch daran zu erkennen, dass sich gestern erstmals der sonst notorisch schweigsame Ermittlungsführer Drecoll mit Erklärungen zu Wort meldete, wie denn die verschwundenen Akten wieder zu beschaffen seien.
Dazu machte die seit dem Wochenende linke PDS einen ganz eigenen Vorschlag: Sie forderte ein Amtshilfeersuchen an die Birthler-Behörde, um mit der dort vorhandenen Technik statt Stasi-Akten lieber Sachsen-Dokumente zu rekonstruieren.
In dem Tohuwabohu geht völlig unter, dass es in der Affäre selbst bisher nichts Neues gibt. Nur machen die Umstände mehr als misstrauisch. Schließlich ist das Verschwinden von mutmaßlich brisanten Dokumenten im Freistaat spätestens seit der Affäre Biedenkopf muntere Tradition.
Verwunderlich ist deshalb auch, dass Ministerpräsident Georg Milbradt dem Chaos völlig ungerührt zusieht. Denn er müsste schließlich noch genau wissen, wie sein Vorgänger mit eben dieser Strategie am Ende scheiterte.