Dresdner Morgenpost, 22.06.2007
Korruptions-Chaos in Sachsen wird immer größer
Jetzt auch noch Original-Akten verschwunden
DRESDEN - Missverständnis oder Vorsatz? Noch Ende April schredderte der Geheimdienst 40 Aktenordner mit Kopien zur Korruptionsaffäre (Morgenpost berichtete). Nun sind einige der Originale nicht mehr auffindbar. Die Linksfraktion fordert deshalb jetzt Innen- und Justizminister zum Rücktritt auf.
Totales Akten-Chaos in der Staatsregierung: Im Innenausschuss des Landtages gestand gestern Innenminister Albrecht Buttolo (CDU), dass 40 Ordner mit Kopien von Gerichtsakten aus Strafverfahren zur Korruptions-Attäre vernichtet wurden.
Laut Verfassungsschutz war das ein „kommunikatives Missverständnis". Alle Informationen aus den Kopien seien jedoch zuvor in eigene Akten eingearbeitet worden, sagt Sprecher Thomas Köhler. Das aber lässt sich nicht mehr komplett prüfen. Denn Justizminister Geert Mackenroth (CDU) musste zerknirscht zugeben, dass einige der Originale, darunter bei der Staatsanwaltschaft in Chemnitz, nicht mehr auffindbar sind.
Dabei hatte der Verfassungsschutz nach Bemerken des „Missverständnisses" am 5. Juni der Generalstaatsanwaltschaft eine Liste mit allen Aktenzeichen der vernichteten Kopien übersandt und gebeten, die Originale zu sichern. Ermittlungschef und Oberstaatsanwalt Henning Drecoll teilte am Abend verzweifelt mit, dass man die Originale mit allen Mitteln suche. »Notfalls werden wir sie anhand der polizeilichen Tagebuchnummern rekonstruieren."
Die Opposition hat jedoch den Verdacht, dass da jemand wohlwissend Akten verschwinden ließ. Linksfraktions-Chef Peter Porsch forderte deshalb Buttolo und Mackenroth unverzüglich zum Rücktritt auf. „Die Serie von Pannen und Verfehlungen der Staatsregierung in der Korruptionsaffäre hat die Grenze des Erträglichen überschritten." Wenn beide Minister nicht ihr Amt niederlegen, müsse sie der Ministerpräsident sofort entlassen. Doch Georg Milbradt gerät nun selbst unter Beschuss. FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens: „Ein Regierungs-Chef, der diesem Treiben weiter untätig zuschaut, ist nicht mehr handlungsfähig."
Von Stefan Locke