Neues Deutschland ND, 30.01.2007
Pinkelzonen im Schwimmbecken
Bundesländer ringen um Regelungen zum Nichtraucherschutz
Weil der Bund nicht mehr zuständig ist, müssen sich jetzt die Länder um einen besseren Schutz von Nichtrauchern bemühen. Die Debatten lassen ahnen, wie schwer es Regelungen etwa für Gaststätten hätten.
Abgeordnete sind auch nur Menschen. Ihre Entscheidungen werden von menschlichen Bedürfnissen beeinflusst – nicht zuletzt den eigenen. So ist ein kleines Scharmützel zweier CDU-Abgeordneter im Landtag von Sachsen-Anhalt zu erklären, über das die »Volksstimme« berichtete. Der eine, leidenschaftlicher Nichtraucher, drängte bei der jüngsten Parlamentssitzung auf ein Rauchverbot in Gaststätten. Sein Kontrahent, bekannt dafür, »in beinahe jeden Blumentopf zu aschen«, war strikt dagegen: Das sei eine persönliche Meinung und »nicht die der Fraktion«.
Ähnliches ist derzeit auch in anderen Landtagen zu erleben; zugleich bilden sich teils ungewohnte Allianzen. So behandelte das sächsische Parlament vergangene Woche einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Schutz von Nichtrauchern, den neben je drei Oppositionsabgeordneten von Linkspartei und Bündnisgrünen auch
Karl Nolle von der Regierungspartei SPD unterschrieb. In Abwandlung eines Zitats von Kaiser Wilhelm II. scheint die Devise zu lauten: »Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Nichtraucher« – oder eben Raucher.
Glaubensbekenntnisse müssen derzeit Abgeordnete vieler Landtage ablegen. Bundesweit wird über geänderte Regelungen zum Nichtraucherschutz beraten. Dass dabei derart viele Köpfe ins Rauchen kommen, ist – wie schon beim Ladenschluss – der Föderalismusreform geschuldet. Sie delegierte Zuständigkeiten an die Länder und unterband so eine Bundesregelung etwa zum Rauchverbot in Gaststätten. Eine Arbeitsgruppe versucht nun, einen Ausweg zu finden, der für alle Länder annehmbar ist. Im März soll eine Lösung vorliegen.
Wie schwierig das werden dürfte, zeigen bereits Debatten in einzelnen Landtagen. In Sachsen-Anhalt beraten die Parlamentarier jetzt den Entwurf für ein Gesetz, das am 1. August in Kraft treten soll und die erste derartige Regelung in Ostdeutschland wäre. Sozialministerin Gerlinde Kuppe will ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden durchsetzen. Freiwillige Regelungen, sagt die SPD-Politikerin, hätten nicht viel gebracht.
Prinzipielle Zustimmung gibt es zwar in den meisten Fraktionen; um Details aber wird gerungen. So plädiert die SPD für Bußgelder. Innenminister Holger Hövelmann (SPD) ist dagegen – dem Vernehmen nach aber nicht, weil er Raucher ist, sondern weil es bereits ausreichende Handhaben gebe. Koalitionspartner CDU wehrt sich gegen Strafgelder ebenso wie ein Rauchverbot in Gaststätten, als dessen Befürworterin wiederum Ministerin Kuppe gilt.
Auch in Sachsen sorgt das Thema für Kontroversen. Über eine »offensichtlich von Rauchern dominierte« CDU-Fraktion schimpfte die Linksabgeordnete Bettina Simon, nachdem der parteiübergreifende Antrag durchgefallen war - zugunsten eines Koalitionsvorschlags, wonach Gesundheitsministerin Helma Orosz (CDU) ein Gesetz erarbeiten soll. Diese bekennt sich zwar zur »Verringerung des Tabakkonsums in allen öffentlichen Einrichtungen« und verweist auf Erfolge in Schulen oder Behörden. Doch eine strikte Regelung für die Gaststätten ist im Freistaat ebenfalls nicht abzusehen. Dort nur Raucherecken einzurichten, sei aber Unsinn, sagt die Bündnisgrüne Elke Herrmann: Diese seien etwa so wirksam wie »Pinkelzonen in Schwimmbecken«.
Von Hendrik Lasch