Karl Nolle, MdL

Junge Welt , Seite 2, 02.07.2007

»Neuwahlen zum Landtag sind die beste Lösung«

Sächsischer SPD-Politiker fordert Rücktritt der Landesminister für Inneres und Justiz und fordert die Beendigung der Koalition mit der CDU. Ein Gespräch mit Rudolf Homann*
 
Nahezu täglich kommen neue Ermittlungspannen und Skandale bezüglich der kriminellen Netzwerke in Sachsen an die Öffentlichkeit. Ist es nicht an der Zeit, daß Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) und Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zurücktreten?

Sicher ist es an der Zeit, daß beide zurücktreten. Nur löst der überfällige Rücktritt kein einziges Problem. Ich glaube auch nicht an Ermittlungspannen. Es ist z. B. absurd anzunehmen, daß Geheimdienstprofis ihre Daten nicht sichern. Wie sollen wir uns die Vernichtung vorstellen? Beim Verfassungsschutz brennt noch Licht? Oder am Schredder nachts um halb eins, wo ein verzweifelter Schlapphut versucht, eine Festplatte zu vernichten? Das ist doch Mumpitz. Selbst gelöschte Daten können heute mühelos wiederhergestellt werden. Das beweist die Polizei fast jeden Tag. Was wir brauchen, sind integre Ermittler von außerhalb Sachsens.

Es gibt Hinweise, daß der NPD-Landtagsabgeordnete Winfried Petzold einen Informanten im Landeskriminalamt (LKA) hat. Obwohl selbst das LKA mittlerweile interne Ermittlungen eingeleitet hat, schießt sich die CDU auf die Linkspartei ein, die angeblich keine Beweise für derartige Behauptungen habe. Warum will die CDU den Vorwürfen nicht nachgehen?

Bei der sächsischen Union wundert mich fast gar nichts mehr. Ich meine damit nicht die gesamte Partei, aber schon große Teile. Im Umgang mit dem Rechtsextremismus legt die CDU in Sachsen, um es zurückhaltend auszudrücken, eine wenig distanzierte Haltung an den Tag. Nehmen wir das Beispiel des inzwischen aus der CDU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten Henry Nietzsche. Der ist über Jahre mit rassistischen und nazistischen Parolen durchs Land gezogen, ohne daß es seine Partei gestört hätte.

Erst als bundesweit darüber in den Medien berichtet wurde, bequemte sich die Parteispitze zur Kritik an Nietzsche. Allerdings kritisierte sie nicht seine Positionen, sondern daß er sich parteischädigend verhalte. Oder nehmen wir den Beschluß des CDU-Landesparteitages zum Patriotismus. Hier kommt eine stramm völkisch-nationale Gesinnung zum Ausdruck. Die geistigen Väter dieses Papiers haben schon im Revisionismusstreit, damals noch in der alten Bundesrepublik, dafür gesorgt, daß man im Ausland ein Wiederaufflammen des Nazismus befürchtete. Zuletzt geriet der CDU-Landrat Gerhard Gey aus dem Muldentalkreis in die Schlagzeilen, als er sich mit Vertretern der »Völkischen Jugend« traf. Die kannte er schon als NPD-Abgeordneter aus seinem Kreistag.

Bereiten Teile der CDU damit den Boden für die NPD vor?

Das wäre mir zu kurz gedacht. Zum einen ist die NPD in Sachsen seit geraumer Zeit dabei, sich selbst zu zerlegen. Zum anderen unterstellt die Frage, man müsse nur dafür sorgen, daß die NPD oder andere rechtsextreme Parteien nicht in die Parlamente einzögen und schon sei die Problematik vom Tisch. Dazu bin ich entschieden anderer Auffassung. Die Problemlage ist aus meiner Sicht viel komplexer. Offensichtlich fällt doch eine bestimmte rechtsextreme Argumentation auf fruchtbaren Boden. Hier gilt es anzusetzen.

Ihre Partei hat in der vergangenen Woche damit gedroht, die Koalition mit der CDU in Frage zu stellen, falls weitere Skandale bezüglich der kriminellen Netzwerke bekannt werden. Und die gab es dann auch: Die Vernichtung der Akten im Landesamt für Verfassungsschutz und die Debatte um den LKA-Informanten der NPD.

Warum hat die SPD nicht Wort gehalten?

Wir haben es hier mit einer komplizierten Gemengelage zu tun. Aus meiner Sicht wäre eine schnelle Beendigung der Koalition mit anschließenden Neuwahlen die beste Lösung. Dann könnten die Wähler in Sachsen entscheiden, ob sie eine CDU weiter an der Regierung haben wollen, die mit ihrem vordemokratischen Politikverständnis die Aufklärung verhindert. Dazu bräuchte es laut Verfassung allerdings die Zustimmung der CDU im Landtag. Damit ist aber wohl kaum zu rechnen.

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(Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2007/07-02/005.php) (c) Junge Welt 2007

Das Gespräch mit Rudolf Homann führte Markus Bernhardt
* Rudolf Homann ist Vorsitzender der SPD im sächsischen Roßwein



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