Karl Nolle, MdL

Die Welt, 03.07.2007

Korruptions-Affäre: Sachsen holt sich Hilfe von außen

Sächsischer Innenminister Buttolo setzt Prüfteams ein - Milbradt nennt Untersuchungsausschuss "Klamauk" - Scharfe Kritik der Opposition
 
Dresden - Nach immer neuen Vorwürfen über vernichtete Verfassungsschutzakten zur sächsischen Korruptionsaffäre hat der massiv in Bedrängnis geratene Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) mit der Einsetzung von zwei Prüfteams reagiert. Sie sollten Missstände in den Strukturen und der Arbeitsweise des Landesamtes für Verfassungsschutz und bei Teilen der sächsischen Polizei untersuchen, kündigte das Ministerium an. Bereits heute will Buttolo einen Bericht des Verfassungsschutzpräsidenten über geschredderte Akten vorlegen.

Der Nachrichtendienst - für den Buttolo verantwortlich ist - steht seit Wochen massiv in der Kritik. Er hatte sowohl die Parlamentarische Kontrollkommission als auch die Staatsanwaltschaft nur verspätet und zögerlich über seine 15 600 Blatt Akten zu kriminellen Netzwerken im Freistaat informiert. Erst nach Medienberichten Mitte Mai hatte die Aufarbeitung begonnen. Dabei brachten jedoch Enthüllungen über die Vernichtung von Unterlagen den Innenminister in weitere Erklärungsnöte. Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass der Geheimdienst einen hochrangigen Leipziger Kriminalisten als Quelle geführt und damit gegen das strikte Trennungsgebot zwischen Geheimdienst und Polizei verstoßen haben soll.Die Ermittler des Verfassungsschutzes hatten unter anderem Kontakte von hochrangigen Politikern, Juristen und Polizisten ins Rotlichtmilieu und Verbindungen zu dubiosen Immobiliengeschäften durchleuchtet.

Buttolo lässt nun vom früheren Bundesrichter Dietrich Beyer und von Verfassungsschützern anderer Bundesländer die fragwürdigen Vorgänge beim ehemaligen Referat für Organisierte Kriminalität (OK) untersuchen. Die Geheimdienst-Abteilung hatte von 2003 bis 2006 die heiklen Korruptionsvorwürfe zusammengetragen.Ein zweites Prüfteam um den Chef des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern, Ingmar Weitemeier, soll zugleich Ungereimtheiten bei der OK-Bearbeitung der Polizei begutachten. So steht der Verdacht im Raum, dass die NPD über Informanten beim Dresdner Landeskriminalamt verfügt, da sich die rechtsextreme Landtagsfraktion mehrfach auf interne Schreiben berufen konnte.

Fragwürdig war zudem eine Razzia des Landeskriminalamts in der OK-Abteilung der Leipziger Polizei, nach der deren Chef abgesetzt wurde.Bis September erwartet Buttolo ein Bulletin über Konsequenzen aus der Affäre. Er könnte mit diesen Schritten versuchen, sich über die Sommerpause Luft zu verschaffen. Der politische Druck hält jedoch an. Schon morgen wollen die Partei Die Linke, die FDP und die Grünen einen Untersuchungsausschuss im Landtag einsetzen. Die Oppositionsparteien werfen der Regierung "schwerwiegende Mängel" bei der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre vor.Unter Beschuss geriet dabei gestern auch Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Er hatte den Untersuchungsausschuss per Zeitungsinterview während einer Dienstreise in China als "Klamauk" bezeichnet.

FDP-Politiker Jürgen Martens warf Milbradt daraufhin "absolutistische Wahrnehmungsstörungen" vor. Grünen-Politiker Johannes Lichdi sagte, angesichts seiner "Parlamentsverachtung" sei Milbradt bald reif für einen Rücktritt: "Der merkt nichts mehr."Der Umgang der Regierung mit dem Untersuchungsausschuss werde "zur Nagelprobe für ihren Aufklärungswillen", so Lichdi. Er warne "vor Mätzchen, die uns zwingen, den Verfassungsgerichtshof anzurufen".

Den Vorsitz des Untersuchungsausschusses soll der Rechtspolitiker der Linken, Klaus Bartl, erhalten. Die FDP hat aber angekündigt, sie wolle keine Stasi-belasteten Abgeordneten in den Ausschuss wählen. Bartl war in der DDR Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit, Staatsanwalt und Abteilungsleiter bei der SED-Bezirksleitung in Chemnitz.

Die CDU hatte ihn bei diversen Wahlen schon durchfallen lassen. Bartl betonte indes, der Ausschuss solle den gesamten Umgang der Regierung mit den Verfassungsschutzakten und mit der aktuellen Glaubwürdigkeitskrise untersuchen. Dem Freistaat sei bereits ein erheblicher Imageschaden entstanden. Die CDU-Fraktion hat jedoch einige rechtliche Bedenken gegen den Untersuchungsauftrag.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: