Agenturen dpa, 16:06 Uhr, 12.07.2007
Sachsen-SPD: Treue zur Koalition und Verbeugung vor Opposition
Dresden (dpa/sn) - Sachsens SPD-Führung übt sich weiter im Spagat. Unter dem Druck von eigener Basis, Opposition und Koalition bekennt sich Parteichef Thomas Jurk jetzt zwar wieder einmal zum Regierungsbündnis mit der CDU. Er verbeugt sich aber gleichzeitig in Richtung Linke, FDP und Grüne und sagt ihnen indirekt Unterstützung zu. Knackpunkt ist der von der Opposition beantragte und von der CDU unerwünschte Untersuchungsausschuss zur Aktenaffäre, die Sachsens Politik seit Wochen in Atem hält. Ob mit Jurks Worten an die CDU der drohende Koalitionsbruch abgewendet ist, dürfte von der Debatte auf dem SPD-Parteitag in Markneukirchen an diesem Samstag und der Bewertung des Regierungspartners abhängen.
Die Akten sollen Verbindungen von Politik, Justiz und Polizei zur Organisierten Kriminalität belegen. Von Kontakten ins Rotlichtmilieu und sogar Mord ist die Rede, angeblich vor allem in der SPD-Hochburg Leipzig, wie die CDU neuerdings gern herausstellt. Pannen im Verfassungsschutz, ein nicht informierter Innenminister, das lange Schweigen des Ministerpräsidenten und der Oppositionsantrag für einen Untersuchungsausschuss haben sich nach mehr als acht Wochen zu einem explosiven Gemisch für die Koalition entwickelt. Die SPD, die sich für die Affäre nicht in Mithaftung nehmen lassen möchte, steht mitten im Spannungsfeld.
Die CDU hatte die SPD, die bei der Wahl 2004 mit 9,8 Prozent der Stimmen zur Regierungspartei aufgestiegen war, schon vor Wochen in die Schranken verwiesen. Regierungschef Georg Milbradt winkte intern sogar mit den Entlassungsurkunden für die zwei SPD-Minister in seinem Kabinett, so die Sozialdemokraten einen U-Ausschuss stützen würden. Milbradt hält eine Untersuchung durch das Parlament für unnötig. Die Vorwürfe um die Akten sind seiner Auffassung nach einzig von der Staatsanwaltschaft aufzuklären. Mit der Versetzung des Verfassungsschutz-Präsidenten und der Berufung externer Sachverständiger seien zudem erste politische Konsequenzen gezogen.
Eine deutliche Unterstützung des U-Ausschusses konnte sich Jurk angesichts der Koalitionsräson nicht abringen. «Uns geht es darum, dass wir in jeglicher Hinsicht für Offenheit sind, dass wir unsere Aufklärungsbereitschaft signalisieren.» Man werde sich dem Ausschuss «nicht verwehren». Im Klartext: Seine Fraktion wird in der kommenden Woche im Landtag nicht gegen einen Ausschuss stimmen. Damit gibt die SPD den Ball an die CDU ab. Die müsste sich dann - damit die Koalition gemeinsam zueinander steht - auch der Stimme enthalten, trotz aller Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des vorliegenden Untersuchungsauftrages. «Es gibt keinen Zweifel an der Treue der SPD zur Koalition», legt Jurk nach.
Das ist zumindest eine klare Absage Richtung Linke. Die hatte in der Debatte um den Untersuchungsausschuss erneut eine «sächsische Koalition der Vernunft» zusammen mit SPD, FDP und Grünen in Spiel gebracht - zumal der SPD-Fraktion jetzt der Geschäftsführer medienwirksam abhanden kam und zur Linken wechselte. Postwendend bemängelte eine CDU fehlende Abgrenzung der Sozialdemokraten und warnt vor einer rot-roten Koalition auch in Sachsen. Es sei höchste Zeit, dass die SPD endlich eine harte Linie ziehe und klarmache, «dass anständige Demokraten nicht mit der PDS koalieren».
Eigentlich sollte der SPD-Parteitag an diesem Samstag im Zeichen der Wahl eines neuen Generalsekretärs und einer Programmdebatte stehen. Ganz gewiss wird sich ein großer Teil der Diskussion auch um die Aktenaffäre, das angespannte Verhältnis in der Koalition und das Verhältnis der SPD zur neuen linken Partei drehen. Die hält zeitgleich in Chemnitz ihren sächsischen Gründungsparteitag ab.
Von Petra Strutz, dpa
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121606 Jul 07