Agenturen ddp-lsc, 17:20 Uhr, 20.07.2007
Hochschulkompromiss räumt TU Dresden Sonderrechte ein - Kritik aus Opposition und Wirtschaft
SPD-Fraktionschef Weiss erwägt Rückzug
Dresden (ddp-lsc). CDU und SPD haben ihren Streit um das Hochschulgesetz beigelegt. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sprach von einem «entscheidenden Sprung in die richtige Richtung». Nach dem von den Fraktionen abgesegneten und am Freitag in Dresden vorgestellten Kompromiss soll die Technische Universität (TU) Dresden in einem dreijährigen Modellprojekt bei Personalfragen mehr Freiräume als die übrigen sächsischen Hochschulen erhalten. Auf Drängen der SPD wurde zudem ein Verbot der Studiengebühren festgeschrieben. Ihr Fraktionschef Cornelius Weiss erwägt indes infolge des Kompromisses seinen Rücktritt.
Die Novelle sieht für die TU Dresden die Arbeitgeberfunktion für ihre rund 3000 Beschäftigten im akademischen Mittelbau vor. Damit kann sie beispielsweise ihre Stellen zügiger besetzen als bisher. An der Bezahlung der Angestellten ändert sich hingegen zunächst nichts. Eigene Tarifverträge könne die Hochschule erst nach Ende des Testlaufs abschließen, falls dieser nicht negativ bewertet werde, betonte Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD).
Der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Wöller, hob die der TU mit dem Kompromiss in Aussicht gestellte Möglichkeit hervor, eigene Tarifverträge abzuschließen. Die Union hätte diese «Freiheiten gern allen Hochschulen eingeräumt». Ursprünglich sollte die Gesetzesnovelle bereits zum Jahresbeginn 2008 in Kraft treten. Nun ist das Frühjahr kommenden Jahres als Termin vorgesehen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Karl-Heinz Gerstenberg, nannte den Kompromiss dürftig. Wer dafür «eine halbe Legislaturperiode braucht, muss sich entweder Arbeitsverweigerung oder Unfähigkeit vorwerfen lassen».
FDP-Hochschulexperte Andreas Schmalfuß bezeichnete die «Lex Dresden» als Mogelpackung. Der Schritt hin zu echter Eigenverantwortung der Hochschulen sei deutlich verfehlt worden.
An die Stelle eines Hochschulgesetzes sei ein «TU-Dresden-Gesetz» getreten, das negative Auswirkungen für die Chemnitzer TU habe, kritisierte auch deren Studentenrat. Der Präsident der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft, Bodo Finger, sprach ebenfalls von einer Benachteiligung aller anderen Hochschulen und nannte das Resultat enttäuschend. Dagegen begrüßte der Dresdner TU-Rektor Hermann Kokenge den Kompromiss, nannte es aber zugleich unklar, welche Gestaltungsmöglichkeiten der Hochschule während des Modellprojektes tatsächlich eingeräumt werden.
Die künftige Personalhoheit der Hochschulen galt als letzter Streitpunkt innerhalb der Koalition. Ein erster Kompromissvorschlag war vor drei Monaten am Widerstand der SPD-Fraktion gescheitert. Weiss hatte damals betont: «Einem Ausstieg aus den tarifrechtlichen Schutzrechten können wir nicht zustimmen.»
Der fraktionsinternen Abstimmung zu dem Kompromiss am Donnerstag war Weiss ferngeblieben. Nach ddp-Informationen stimmten neun Abgeordnete dem Papier zu, während Stefan Brangs und
Karl Nolle dagegen votierten und sich Margit Weihnert enthielt. Weiss erwägt nun seinen vorzeitigen Rückzug von der Fraktionsspitze. «Ich muss darüber nachdenken», sagte er am Freitag. Ein «ordentlicher Politik-Stil» verlange Konsequenzen, wenn man als Vorsitzender von der Mehrheit der Fraktion überstimmt werde.
(Weitere Quellen: Weiss in ddp-Interview; Stange und Wöller vor Journalisten in Dresden; alle anderen in Mitteilungen)
Von Tino Moritz
ddp/tmo/pon
201720 Jul 07