Berliner Zeitung, 31.07.2007
Linkspartei freut sich über Mitgliederzuwachs
BERLIN. Die großen Volksparteien werden immer kleiner. 544 366 Mitglieder registrierte die CDU Ende Juni, sagte ein Parteisprecher gestern der Berliner Zeitung. Zum Jahreswechsel waren es noch 553 896 Christdemokraten. Auch die SPD büßte an Mitgliedern ein. Ende Juni kam sie auf 549 916 Personen, ein halbes Jahr zuvor noch füllten 561 239 Beitragszahler die Parteikasse. Insgesamt haben die Sozialdemokraten binnen 15 Jahren ein Drittel ihrer Mitglieder verloren, die CDU etwa ein Fünftel.
3 000 Neuzugänge
Von einem Mitgliederboom hingegen spricht die Linkspartei. In den 14 Tagen nach der Vereinigung von WASG und PDS hätten allein im Karl-Liebknecht-Haus 3 000 Personen ihren Parteibeitritt erklärt, sagte eine Sprecherin. Hinzu kämen Neueintritte in den Landesverbänden. Eine genaue Mitgliederzahl will die Linkspartei erst dann nennen, wenn sie die Anzahl ihrer "Doppelmitglieder" weiß. So waren vergangenes Jahr Personen sowohl in der PDS als auch der WASG registriert und werden derzeit auch noch doppelt gezählt. Trotz des neuerlichen Zuwachses hat die Linkspartei seit der Wiedervereinigung über 75 Prozent ihrer Mitglieder verloren. 1990 zählte die PDS noch 280 882 Beitragszahler, Ende 2006 war sie auf 54642 Personen geschrumpft.
Auch die FDP könne sich über Zuwächse freuen, sagt Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz. Ende 2006 zählte sie 64 880 Mitglieder, 2 159 mehr als 2000.
Der Parteienforscher Oskar Niedermayer macht eine andere Rechnung auf: "Die FDP hat seit 1990 fast zwei Drittel ihrer Mitglieder verloren." Die kleinen Aufschwünge führt Niedermayer auf den Bundestagswahlkampf 2002 zurück. Da habe sich die FDP als Spaßpartei präsentiert und junge Wähler gewonnen. Dieser Trend sei abgeebbt, seitdem die FDP wieder ernsthafter auftrete.
Rückgänge verzeichnet auch die CSU, die 1990 noch 186 198 Personen zählte und 2006 bei knapp 170 000 Beitragszahlern lag. Die Grünen hatten zum Jahreswechsel 44 695 Mitglieder, der Höchststand lag 1998 bei 51 812 Parteifreunden.
Weil viele Parteien überaltert seien, rechnet Niedermayer nicht mit einer Trendwende. "Es wird keine goldenen Zeiten für die Mitgliederentwicklung geben. Bestenfalls kann man den Abwärtstrend stoppen." Als weiteren Grund für das Parteien-Schrumpfen nennt Niedermayer die sinkende Bereitschaft junger Menschen für eine Ochsentour durch die Parteihierarchien. "Sie arbeiten lieber projektbezogen", sagt der Forscher. Dem Abwärtstrend könnten die Parteien nur begrenzt entgegenwirken, etwa durch Schnuppermitgliedschaften.
Daniel Freudenreich