DNN/LVZ, 20.08.2007
„Existenzberechtigung ist in Frage gestellt“
Finanzexperte Gerke sieht Führungsmängel bei SachsenLB
Erlangen/Leipzig. Die Existenzberechtigung der SachsenLB sei in Frage gestellt, sagte der Finanzexperte Wolfgang Gerke dieser Zeitung. Der Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums und frühere Leiter des Lehrstuhls für Bank- und Börsenwesen an der Universität Erlangen-Nürnberg sieht die Probleme der sächsischen Landesbank im Zuge der US-Hypothekenkrise auch durch Führungsmängel im Institut verursacht.
Frage: Die 17,3 Milliarden Euro, die der Sparkassenverbund der SachsenLB kurzfristig zur Verfügung stellt, sind nicht von Pappe.
Wolfgang Gerke: Das ist völlig richtig. 17,3 Milliarden Euro sind für eine Landesbank wie die SachsenLB extrem viel Geld.
Anderen Banken wurde im Zusammenhang mit der US-Hypothekenkrise auch unter die Arme gegriffen.
Das schon. Aber verglichen mit den acht Milliarden Euro, die die IKB Bank erhielt, sind die 17,3 Milliarden eben mehr als das Doppelte. Das ist ein gewaltiger Betrag.
War das abzusehen, dass die SachsenLB in solch großen Schwierigkeiten steckt?
Zu vermuten war es, aber das Institut hat ja noch in der vergangenen Woche immer wieder dementiert, in größeren Schwierigkeiten wegen seiner Tochter Ormond Quay, einer irischen Investmentgesellschaft, zu stecken. Nun ist zumindest die Katze aus dem Sack.
Was heißt das für die Bank?
Dass ihre Existenzberechtigung in Frage gestellt ist. Am sinnvollsten wäre eine Übernahme.
Etwa durch die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die ja seit geraumer Zeit damit schwanger geht?
Die WestLB hat selbst genügend Probleme. Man sollte nicht den Bock zum Gärtner machen. Mit einer schwachen Führung ist kein Blumentopf zu gewinnen.
Meinen Sie die Führung der WestLB oder der SachsenLB?
Da kann ich gleich beide meinen. Aber konkret zur SachsenLB: Es kann nicht angehen, dass Riesenbeträge von der Sparkassenfamilie garantiert werden müssen und man dann alles beim Alten belässt. Es müssen Konsequenzen gezogen werden.
Welche?
Es muss schnellstens offengelegt werden, wer sich hier welche Versäumnisse zu Schulden hat kommen lassen. Zu prüfen ist, welche Aufsicht versagt hat – die interne oder die Wirtschaftsprüfer.
Gerät nicht auch die Finanzaufsicht Bafin ins Visier?
Ich glaube nicht, denn sie scheint bei der SachsenLB ganz genau hingeschaut zu haben. Die Bafin hat zwar spät, aber dann richtig reagiert und Sonderprüfungen durchgeführt.
Erste Spekulationen kochen hoch, wonach die SachsenLB durch die Ormond-Quay-Misere 500 Millionen Euro Verluste verbuchen wird.
Das ist mir zu vorschnell. Allerdings zeigte sich bislang immer wieder: Die anfänglich angenommenen Verluste waren am Ende meist noch untertrieben. Angesicht der hohen Summe, mit der die Sparkassengruppe geradesteht, werden schon hohe dreistellige Millionen-Verluste zusammenkommen.
Muss der Sparkassenkunde nun um seine Einlagen fürchten?
Die Sicherungssysteme der Sparkassen sind so ausgelegt, dass sie Stress-Situationen durchaus meistern. Insofern muss kein einziger Sparkassenkunde um seine Einlagen bangen. Aber der Steuerzahler ist der Geschädigte.
Inwiefern?
Wenn eine öffentlich-rechtliche Bank gut verdient, dann läuft es beim Sponsoring und ähnlichem Engagement des Instituts in der Region gut. Im anderen Falle schlecht.
Sachsen bürgt für die 17,3 Milliarden. Was heißt das im Extremfall?
Dass das Land das Geld auf den Tisch zu legen hat. Am Ende zahlt das Ganze der Steuerzahler. Das ist jedoch auch sinnvoll. Denn man kann ein solches Institut nicht vor die Hunde gehen lassen. Der Schaden wäre zu immens.
Hätte nicht früher reagiert werden müssen?
Ja, denn die sächsische Landesbank ist offensichtlich nicht in der Lage, eine Geschäftspolitik zu fahren, die sich für den Steuerzahler lohnt. Zumindest vermittelt sich dieser Eindruck.
Interview: Ulrich Langer