Berliner Zeitung, 20.08.2007
Steinbrück will Bankenaufsicht überdenken
Sachsen LB mit Kreditlinie der Sparkassen stabilisiert / Einbußen beim Jahresergebnis erwartet
BERLIN. Die deutsche Banken- und Finanzmarktaufsicht kommt auf den Prüfstand. Das kündigte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) an, nachdem mit der sächsischen Landesbank nach der IKB ein zweites deutsches Geldinstitut infolge der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten in akute Existenznot geraten war. Um die Sachsen LB vor dem Aus zu retten, hatte die deutsche Sparkassen-Finanzgruppe dem Institut eine Kreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden Euro eingeräumt. Mit dieser Kreditlinie sollen die Risiken abgedeckt werden, die eine in der Bilanz des Instituts nicht erfasste ausländische Zweckgesellschaft der Bank im Geschäft mit verbrieften Kreditforderungen - sogenannte Asset Backed Securities (ABS) - eingegangen war.
Die Gesellschaft namens Ormond Quay hatte seit 2004 ABS-Papiere im Volumen von 17,5 Milliarden Dollar erworben. Obwohl diese Papiere allesamt über ein erstklassiges Rating verfügen sollen, gelang es Ormond Quay in der letzten Woche nicht mehr, die für die Refinanzierung dieser Engagements benötigten Kurzfrist-Gelder auf dem Kapitalmarkt einzuwerben. Mit dieser Fonds-Schieflage wurde die Bonität der Sachsen LB insgesamt in Frage gestellt.
Banken über Sanio irritiert
Nach Auskunft der Sachsen LB gewährleistet die milliardenschwere Kreditlinie der Sparkassen, dass die Bank nunmehr alle ihre im Zusammenhang mit der Gesellschaft Ormond Quay stehenden Verpflichtungen erfüllen kann. Das Gesamtvolumen der Bank im ABS-Sektor liegt bei rund 20 Milliarden Euro. Die Liquidität der anderen ABS-Töchter Georges Quay und Sachsen Funding sei allerdings nicht gefährdet.
Einen Spiegel-Bericht, wonach das Institut wegen des Ormond Quay-Geschäfts Wertberichtigungen in Höhe von 500 Millionen Euro vornehmen müsse, wies die Bank als "Unsinn" zurück. Allerdings werde die Umstellung der Ormond Quay-Refinanzierung das Jahresergebnis der Bank belasten. Gegenüber der Berliner Zeitung hatte die Bank zuvor eingeräumt, dass sie in den letzten beiden Jahren an jetzt kritisch gewordenen Engagements kräftig verdient habe. Dabei wies Sachsen LB-Sprecher Frank Steinmeyer Behauptungen zurück, wonach der Umfang dieses Engagements gegenüber der Bankenaufsicht verschleiert worden sei: Es habe immerhin mehrere Sonderprüfungen gegeben, bei denen sich die Aufsicht über die Situation des Hauses umfassend habe informieren können.
Gegenüber der Berliner Zeitung hatte die Finanzaufsichtsbehörde indes eingeräumt, dass sie die immense Volumen-Ausweitung des Ormond Quay-Geschäfts der Sachsen LB nicht zeitnah mitverfolgt hatte. Zudem seien solche Geschäfte legal, so dass man sie auch nicht unterbinden könne.
In der Finanzbranche geriet unterdessen der Präsident der Finanzaufsichtsbehörde, Jochen Sanio, in die Kritik, weil er trotz der Finanzmarkt-Turbulenzen erst Mitte letzter Woche aus dem Urlaub zurückkehrte. Verstärkt wurden diese Irritationen durch die ebenfalls urlaubsbedingte Abwesenheit des zuständigen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Thomas Mirow, der erst in dieser Woche seine Amtsgeschäfte wieder aufnimmt.
Minister Steinbrück äußerte Verständnis für Zweifel, ob die Finanzaufsicht im Fall der IKB nicht zu spät reagiert habe. Allerdings hätten zuvor durchgeführte Sonderprüfungen hier keinerlei Beanstandungen ergeben oder Risiken ausgewiesen. Ursprünglich habe sein Haus noch in diesem Monat eine Kabinettsvorlage zur Verbesserung der Bankenaufsicht präsentieren wollen. Dies werde er nun verschieben, um die aktuellen Erkenntnisse mit einzuarbeiten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte am Wochenende angesichts der Börsen-Turbulenzen in Folge der Hypothekenkrise in den USA mehr Transparenz auf den Finanzmärkten an. Man müsse künftig wissen, woher das Kapital von Hedge-Fonds stamme und wie hoch die Kredit-Risiken jeweils seien. Auch die einflussreichen Rating-Agenturen müssten überprüft werden. Zumindest müsse klar sein, auf welcher Grundlage diese Agenturen ihre Bewertungen von Unternehmen vornehmen.
Ewald B. Schulte