Karl Nolle, MdL

www.ostdeutsche-zeitung.de, 28.08.2007

Das Ende der Sachsen LB: Gespräch mit einem Insider

 
Als Treffpunkt war “Ingo’s SB-Tränke” abgemacht. Doch wie erkennen wir uns, fragte ich. “Kein Problem, ich schwanke schon seit Tagen”, kicherte der Mann von der Bank. Gut, sagte ich, ich warte mit zwei Guiness am Tresen und habe mein rotes Sparkassensparbuch vor mir zu liegen. “Endlich einer”, krähte der Experte, “dem wir noch helfen können.”

Mal ehrlich, wann wussten Sie, dass das Ende naht?

Das ist für mich natürlich eine sehr heikle Frage, bin ich doch Insider und Experte zugleich. Es gab sicherlich Zeichen. So vor zwei bis drei Jahren dachte ich das erste Mal: “Na, wenn das mal gut geht!” Es war einer dieser Abende. Georg bestellte gerade sein fünftes Guinness und ich war der einzig Verbliebene, der mit ihm noch mithalten konnte. Er sagte so was ähnliches wie “Man muss auch mal was riskieren können”. Da wurde mir klar, der Mann macht keine halben Sachen.

Was haben Sie ihm darauf geantwortet?

Hm. Ich hatte schon damals meine Zweifel. Aber als ich in die Augen dieses tapferen Westfalen blickte, wurde mir bewusst, dass das Spiel noch lange nicht verloren ist.

Zur Sache: Eigentlich heißt es immer, Fonds seien etwas für auf Sicherheit bedachte Sparer. Die Wirklichkeit zeigt im Fall der Sachsen LB doch aber das Gegenteil …

…da will ich gleich mal einhaken. Nicht jeder Fonds ist mit herkömmlichen Maßstäben zu vergleichen, erst recht nicht unser Ormond Quay. Ausgangspunkt unserer Überlegungen war das gute Risiko-Rating der Sachsen LB.

Wir hören immer Rating, Rating. Das bedeutet doch …

… nichts anderes als dass unsere Kreditwürdigkeit allgemein als exzellent eingeschätzt wurde. Wir wussten ja stets den Freistaat als treuen Partner an unserer Seite.

Mit anderen Worten: Wenn es doch mal in die Hose geht, springt Georg ein.

So ähnlich. Fakt ist, dass wir stets Kredite zu Superkonditionen von Gläubigern aus der ganzen Welt bekamen. Und das ist doch prima. Das zeugt auch von großem Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in den Standort Sachsen. Wir wären schön blöd gewesen, wenn wir dieses Vertrauen nicht genutzt hätten.

Moment, wir reden doch über die Sachsen LB, die pleite ist.

Nicht wirklich. So absolut würde ich das zumindest nicht sagen. Die Sachsen LB hat einfach im Augenblick richtiges Pech. Der Plan war eigentlich genial. Wir bezahlen wenig Zinsen, weil wir ein exzellentes Rating haben und leihen das gepumpte Geld zu viel höheren Zinsen wieder aus. Die Zinsdifferenz gehört dann uns. Ich untertreibe nicht, wenn ich sage, wir haben uns mit dieser Masche jahrelang dumm und dämlich verdient. Und der Gewinn ist natürlich umso höher, je mehr Geld man leiht und wieder anlegt.

Vorausgesetzt Ihre Schuldner zahlen auch.

Davon mussten wir ausgehen. Ansonsten hätte das doch alles keinen Sinn gemacht. Oder hätten Sie sich etwa jemals vorstellen können, dass der gemeine Amerikaner seine Schulden nicht zurückzahlt?

Mal ehrlich, angesichts der hohen Immobilienpreise in den USA war doch schon ein gewisses Risiko vorhanden, dass der eine oder andere Kredit platzt.

Klar, das war uns ja bewusst. Deswegen haben wir ja auch so viele Kredite gekauft und diese in einem Fonds gebündelt. So minimiert man das Risiko. Im Fachjargon heißt das dann diversifiziertes Portfolio. Wir waren uns stets der besonderen Verantwortung der Landesbank gegenüber dem Freistaat Sachsen im Klaren. Das hat unser Denken geprägt und widerspiegelte sich auch in unserer Anlagestrategie. Ok, wir haben nicht immer gewusst, welche Immobilie oder Bauvorhaben hinter jedem Kredit steckt. Aber das muss man auch nicht. Dafür hatten wir doch gerade externen Sachverstand hinzugezogen. Und wenn unsere irischen Experten sagen, das Zeug ist 17 Milliarden wert, dann ist das auch so.

Der “Spiegel” zitierte in der letzten Ausgabe auch einen Experten. Er sagte, Sie hätten auch Kredite für Immobilien am Nordpol gekauft, wenn man sie Ihnen angeboten hätte.

Das möchte ich nicht ausschließen. Wenn die Zinsdifferenz stimmt, dann kann auch das ein gutes Geschäft sein.

Klingt komisch - jetzt, da alles vorbei ist…

Vorbei, vorbei, vorbei. Verzeihen Sie, wenn ich jetzt auch etwas emotionaler werde. Wenn WIR so gedacht hätten, als WIR Aufbauhelfer in den Osten kamen, dann würde Leipzigs Innenstadt immer noch vor sich hin gammeln. Schauen Sie sich bloß mal an, wie diese Stadt aufgeblüht ist. Oder Dresden: Mikroelektronik, die Gläserne Manufaktur von VW … Alles schön, die Menschen sind glücklich hier, nur sie zeigen es nicht so offen. Aber das kommt noch.

Sicher, Sie sind da einen Schritt weiter. Eine gewisse Heiterkeit in den Reihen des Sachsen LB-Vorstands lässt sich wirklich nicht leugnen. Vor allem seit bekannt ist, dass der Laden von der baden-württembergischen Landesbank gekauft wird.

Kompliment, das haben Sie gut beobachtet. Alles folgt einem Plan. Wir handeln zielführend.

Sie verheimlichen doch etwas.

Ok, Ihnen kann ich es ja sagen. Ich war am vergangenen Freitag mit Georg wieder einen heben. Betrübt blickten wir in unsere Gläser. Georgs Stirn lag wenig später auf dem Tresen. Ich meinte schon, er sei eingeschlafen, als er plötzlich den Kopf hob und rief “Rating”. Der Plan war geboren. Alles was wir brauchen, ist ein gutes Rating, einfach Vertrauen. Es muss einer her, der bereit ist, Geld in unseren maroden Tanker zu pumpen.

1. Statt am Montag zu erklären, wir sind pleite, verticken wir die Sachsen LB an einen andere Landesbank. Zwei Anrufe in Stuttgart, und die Sache war klar.

2. Baden-Württemberg will uns eigentlich nicht haben. Wer weiß, was noch kommt. Das ist auch den Schwaben klar. Sie behalten sich deshalb vor, zur Not am Jahresende wieder auszusteigen.

3. Bis zum Jahresende ist aber noch viel Zeit. Da jetzt alle wissen, dass wir zu Baden-Württembergischen Landesbank gehören, bekommen wir auch wieder von anderen Kredite. Und jetzt dürfen Sie mal raten, wie wir die einsetzen werden.

Wieder eine ostdeutsche Landesbank gründen?

Sie werden verstehen, dass ich noch nicht alles verraten kann.

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: