DNN/LVZ, 31.08.2007
Bittere Zeiten für Milbradt
Sachsens Regierungschef hangelt sich von einer Krise zur nächsten
Dresden. Im Alten Rathaus zu Leipzig hat die Konrad-Adenauer-Stiftung einen viel versprechenden Vortrag geplant: „Nachhaltige Politik. Der Freistaat Sachsen auf dem Weg in die Zukunft“. Gastredner im Festsaal des ehrwürdigen Renaissancebaus wird der Ministerpräsident sein. Georg Milbradt kann dort über die hervorragende Haushaltssituation seines Musterlandes sprechen, über das Ende der Verschuldung und den Abbau der Zukunftslasten. Über Rekordwerte beim Wirtschaftswachstum und Firmenansiedlungen, sinkende Arbeitslosenzahlen und steigende Bildungsinvestitionen.
All das ist richtig – doch der öffentliche Eindruck, den Sachsen und sein Regierungschef seit ein paar Monaten hinterlassen, ist das blanke Gegenteil: Vorwürfe aus der mutmaßlichen Korruptionsaffäre, Notverkauf der ruinierten Landesbank nach Stuttgart, rassistische Übergriffe auf Inder in Mügeln und ein blamabler Zoff um die Dresdner Waldschlösschenbrücke. Statt die wirtschaftlichen Erfolge zu nutzen, steht Milbradt im Feuer wie nie zuvor – und die Krisen sind nicht nur die Schuld der anderen.
Beispiel Landesbank: Sie war ein Lieblingskind des einstigen Finanzministers. Er hat sich um ihr Wohlergehen gekümmert, sich auch als Ministerpräsident noch berichten lassen und schließlich in letzter Minute den Notverkauf gemanagt. Da kommt Milbradt nicht heraus.
Beispiel Waldschlösschenbrücke: Sie wird von Milbradt eisern durchgefochten, obwohl er immer wieder aufgefordert wird, in dem Konflikt zu moderieren. Doch er hält stoisch an der Dresdner Elbquerung fest – auch auf Kosten des Welterbetitels.
Hinzu kommen Personalprobleme. In Milbradts Regierung gelten vor allem Finanzminister Horst Metz, der für die Landesbank zuständig ist, und Innenminister Albrecht Buttolo, der für die Pannen beim Verfassungsschutz verantwortlich zeichnet, als gehörige Schwachpunkte. „Man hätte sich von beiden mehr Professionalität bei der Kontrolle und Führung gewünscht“, räumt ein CDU-Mann ein. Als Aufsichtsinstanzen tragen die beiden Ressortchefs für die Missstände die politische Verantwortung. Daher vergeht kein Tag ohne Rücktrittsforderungen der Opposition und ähnlichen Hinweisen vom Koalitionspartner SPD. „In jedem anderen Bundesland“, sagen Beobachter, „wären die Minister längst abgetreten oder rausgeflogen.“
All das ist vor allem ein Problem von Milbradt. Regierungskreise berichten, es gebe nur noch wenige Berater, auf die der MP wirklich höre. Zudem neige der „münsterländische Dickkopf“ dazu, in Konflikten auf stur zu schalten. In CDU-Kreisen wird dem Regierungschef und seiner Staatskanzlei zudem ein desolates Krisen- und Kommunikationsmanagement vorgeworfen. Die Probleme, so kritisieren Christdemokraten, könnten „der Bevölkerung mittlerweile kaum noch vermittelt“ werden.
Die Folgen der Misere sind verheerend. In der gestern vorgestellten Meinungsumfrage dieser Zeitung fiel die sächsische CDU auf nur noch 38 Prozent ab, nach 41,1 Prozent zur Landtagswahl 2004. Unter Kurt Biedenkopf war die Union noch von absoluten Mehrheiten jenseits der 50 Prozent-Marke verwöhnt. Nun würde sie kaum mehr eine Koalition mit der SPD behaupten können, die es auf elf Prozent bringt. Das Vertrauen der Bürger in die Landesregierung ist schlichtweg erschüttert, wie das Meinungsbarometer dieser Zeitung ergab. Auch in der überregionalen Presse macht der Freistaat keine gute Figur. „Schwarze Tage in Sachsen“, „Absturz einer Regierungspartei“ und „Goodbye, Generaldirektor“ lauten die schmerzhaften Schlagzeilen.
Die kleinen und großen Katastrophen kommen für Milbradt zur Unzeit – in zwei Wochen will er sich von einem Landesparteitag als Vorsitzender wiederwählen lassen. Doch nun fürchtet der klar analysierende Ökonom, dass ihn die Delegierten erneut mit einem schlechten Ergebnis abstrafen. Bereits vor zwei Jahren hatte er in Reaktion auf die Landtagswahl nur 76,9 Prozent Zustimmung bekommen – ohne Gegenkandidaten.
Doch bisher erscheint parteiintern ein Festhalten an Milbradt als alternativlos. Potenzielle Nachfolge-Kandidaten haben sich bisher nicht aus der Deckung gewagt. Weder Kultusminister Steffen Flath noch Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, der eifrig Kontakte nach Dresden hält, aber Thronfolge-Ambitionen dementiert. Manche in der CDU warten daher sehnlich auf einen Befreiungsschlag – eine Kabinettsumbildung etwa, die so etwas wie einen Aufbruch aus dem Tal demonstriert. Und die verhindern könnte, dass die Union ihre Macht weiter verspielt.
Von SVEN HEITKAMP