DIE WELT, 03.09.2007
De Maiziere als Nachfolger Milbradts im Gespräch
Landesbank-Debakel bedroht schwarz-rote Koalition in Dresden
Dresden - Das Fiasko um die Landesbank SachsenLB gefährdet den Fortbestand der schwarz-roten Koalition in Dresden. Die SPD wirft den Christdemokraten von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) schweren Vertrauensbruch vor, weil man über Entwicklungen während der Bankenkrise zu spät und unvollständig informiert worden sei. „Man darf einen Partner nicht überfordern", sagte Vizeregierungschef Thomas Jurk (SPD). SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss sieht das Bündnis ins Wanken geraten.
In dieser Woche könnte die angespannte Situation eskalieren. Wie diese Zeitung aus SPD-Kreisen erfahren hat, wollen die Sozialdemokraten den Koalitionsvertrag aufschnüren und nachbessern. „Wir entwickeln einen Forderungskatalog", sagte ein SPD-Parlamentarier der WELT. Darauf hätten sich führende Sozialdemokraten in Telefonschaltkonferenzen verständigt. Die CDU soll demnach verpflichtet werden, den kleineren Partner künftig besser als bisher in die Regierungsarbeit einzubeziehen. Die SPD besteht aber auch auf inhaltlichen Zugeständnissen in der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik.
CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer warnte den Partner. „Die SPD weiß, dass Dinge gelten, die wir zu Beginn der Legislatur gemeinsam besprochen und vereinbart haben", sagte er dieser Zeitung. Sein SPD-Widersacher Dirk Panter betonte demgegenüber, die Koalition brauche Erfolge: „Deshalb werden wir mit der CDU über gemeinsame Projekte für die Zukunft sprechen." Es sei unbefriedigend, dass die Linkspartei in Umfragen stabil bei 30 Prozent gehandelt und der NPD ein Wiedereinzug in den Landtag prognostiziert werde.
Der frühere Innenminister und CDU-Abgeordnete Heinz Eggert wirft den Sozialdemokraten vor, sich stets medienwirksam abzusetzen, wenn es Schwierigkeiten gebe. „Dieser Mangel an Aufrichtigkeit verstärkt das verheerende Bild der Regierung und lenkt zu Unrecht den Blick auf die CDU als angeblichen Alleinverursacher der Krisen", so Eggert.
Der neuerliche Krach setzt den angeschlagenen Regierungschef Milbradt zusätzlich unter Druck. Am Freitag hatte sein Finanzminister Horst Metz (CDU) seinen Rücktritt für Ende September angekündigt und damit Verantwortung für die Affäre um die Landesbank übernommen. Nach riskanten Geschäften musste das Institut am vorletzten Wochenende an die Landesbank Baden-Württemberg notverkauft werden, Allerdings haftet der Freistaat weiterhin für Fehlspekulationen. Seit dem Debakel gilt Milbradts Ruf als Finanzexperte beschädigt.
Auch innerhalb seiner Partei wird Kritik am Regierungschef geübt. Bis zu 20 Abgeordnete, die um ihre Wiederwahl bei der Landtagswahl 2009 fürchten, würden ihm nicht mehr bedingungslos folgen, heißt es. Auch Landräte und Bürgermeister sollen nach dem Desaster um die Landesbank auf Distanz gehen. Für Milbradt wird die Lage damit zunehmend gefährlich.
Auf einem Landesparteitag am 15. September in Mittweida muss sich Milbradt der Wiederwahl als CDU-Vorsitzender stellen. Nach dem schwachen Ergebnis zur Landtagswahl 2004 hatte er schon vor zwei Jahren nur blamable 76 Prozent bekommen. Unterhalb einer Grenze von 65 Prozent dürfte es für ihn heikel werden. „Ich habe eine Schmerzgrenze", ließ Milbradt bereits erkennen.
Die sächsische Misere ist längst kein regionales Problem mehr. Kanzlerin Merkel ließ sich während ihrer jüngsten Asienreise ständig über die Krise in Dresden
informieren. In Thüringen hat die allregierende CDU derzeit in Umfragen keine Mehrheit mehr und würde durch ein rot-rotes Bündnis abgelöst. Fällt auch noch das ostdeutsche CDU-Kernland Sachsen, wäre das auch für Merkel vor der nächsten Bundestagswahl eine schwere Belastung.
Vor diesem Hintergrund sorgt eine Personalie für Spekulationen: Kanzleramtschef Thomas de Maiziere wird auf dem Landesparteitag für einen Vorstandsposten kandidieren. Der frühere sächsische Minister gilt damit - trotz aller Dementis - als potenzieller Nachfolger von Milbradt. Immerhin hat de Maiziere seinen Wohnsitz nach wie vor in Dresden und hält rege Kontakte zu sächsischen Unionspolitikern. Zudem ist er im Freistaat auf der Suche nach einem Wahlkreis.
Eggert beschwichtigt: „Ich gehe davon aus, dass Georg Milbradt der unangefochtene Kandidat für 2009 ist." Dazu müsse der Regierungschef aber „seine volle Handlungsfähigkeit" demonstrieren. „Es müssen wieder die eigentlichen Themen besetzt werden", fordert Eggert.
Ein möglicher Befreiungsschlag könnte für Milbradt die bevorstehende Kabinettsumbildung sein. Als neuer Finanzminister sind nach der Demission von Metz der Finanzstaatssekretär Wolfgang Voß und der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Matthias Rößler, im Gespräch. Wackelkandidaten im Kabinett sind zudem Innenminister Albrecht Buttolo und Staatskanzleichef Hermann Winkler - der eine ist in der mutmaßlichen Korruptionsaffäre ins Straucheln gekommen, der andere beim Krisenmanagement. „Die Staatskanzlei muss leistungsfähiger werden", verlangt Eggert.
von Sven Heitkamp und Uwe Müller