DNN/LVZ, 05.09.2007
„Profiteur wäre die Linke“
Leipzig. In der Koalition spitzt sich der Streit zu. Werner Patzelt, Politikprofessor an der TU Dresden, rät allen Beteiligten, sich vom strategisch-rationalen Denken leiten zu lassen und nicht vom Wunsch nach dem Begleichen offener Rechnungen.
Frage: Wäre ein Ende mit Schrecken, also Neuwahlen, besser als ein Schrecken ohne Ende?
Werner Patzelt: Den meisten Nutzen haben die Wähler von einer stabilen Regierung. Da ist für den Wähler in Sachsen mit Blick auf die aktuellen Umfragen die Wahrscheinlichkeit gering, dass er eine wesentlich stabilere Regierung bekommt. Der Profiteur von vorgezogenen Neuwahlen wäre vor allem die Linke.
Würden Sie der Koalition empfehlen, die Regierungsarbeit fortzusetzen?
Koalitionen sind nicht da, um die Wähler zu unterhalten, sondern um solide Arbeit zu leisten. Die SPD würde sich mit Neuwahlen auf ein Vabanquespiel einlassen. Sie würde nie eine Koalition anführen. Entweder wäre sie wieder Juniorpartner in einer CDU-geführten Regierung. Oder sie lässt sich als Juniorpartner auf eine linksgeführte Koalition ein.
Nach einer Umfrage dieser Zeitung ist das Vertrauen der Sachsen in die Institutionen gesunken, wie in Regierung und Justiz. Was ist da schief gelaufen?
Wir haben es hier mit einer Stimmungsentwicklung zu tun, die auf der Faktenebene nicht gedeckt ist. Hinter dieser Verdrossenheit steckt der Unwille eines großen Teils der Bevölkerung, der Notwendigkeit ins Auge zu sehen, den Sozialstaat zu reformieren.
Aber in Sachsen gibt es nun konkret die Verfassungsschutzaffäre und die Krise der SachsenLB. Das hat das Vertrauen wohl auch nicht gerade gefördert?
Ja, das sind die Fettaugen auf der Suppe. Ein Referat im Landesverfassungsschutz hat unprofessionell gearbeitet, um seine Existenzberechtigung zu beweisen, und die Dienstaufsicht hat versagt. Es bleibt wenig Substanzielles von den Vorwürfen.
Bei der SachsenLB hat die Globalisierung zugeschlagen. (hört! hört! was der Professor daher redet, meint Karl Nolle)
Wo liegen die Mängel?
Darin, wie die Landesregierung ihre Politik den Medien und der Öffentlichkeit darstellt. Es fehlt aus meiner Sicht ein tüchtiger Pressesprecher der Staatsregierung, und es fehlt an Innen-Abstimmung in der Regierung. Man fragt sich auch, ob die Staatskanzlei wirklich gut genug die einzelnen Ministerien und ihre Öffentlichkeitsarbeit koordiniert.
Wird die Koalition bis 2009 halten?
Das hängt erstens davon ab, ob der SPD bewusst wird, wie wenig sie gewinnen kann, wenn sie auf ein vorzeitiges Ende der Koalition hinwirkt. Zweitens ist entscheidend, wie die CDU mit ihrem Parteivorsitzenden umgeht. Wird seine schlechte Lage auf dem Parteitag Mitte September ausgenutzt, um ihn zu demontieren oder berappelt sich die Union?
Interview: Anita Kecke