Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.09.2007

Giftiges Klima vor der Stunde der Wahrheit

CDU-Parteitag: Burgfrieden mit der SPD wackelt
 
Dresden. In der Woche vor dem entscheidenden CDU-Parteitag in Mittweida, auf dem Regierungschef Georg Milbradt mit einem respektablen Ergebnis als Landesvorsitzender wiedergewählt werden will, geht in der Dresdner Koalition das Hauen und Stechen weiter. Trotz aller Treue-Schwüre zur sächsischen Regierungs-Zweckgemeinschaft scheinen sich Union und SPD damit weiter in Stellung zu bringen – von Burgfrieden keine Spur.

Kostprobe Nummer 1: Ende voriger Woche wirft der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Wolfgang Tiefensee (SPD) Milbradt „eine Verharmlosung des Rechtsradikalismus“ vor. Seine Äußerungen zum Angriff auf acht Inder im Landkreis Torgau-Oschatz seien „absolut inakzeptabel“. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer nennt Tiefensee daraufhin einen „populistischen Schwätzer“, der „bis heute nicht in Mügeln gewesen“ sei. Sein SPD-Pendant Dirk Panter kontert schließlich ebenso wenig zimperlich: „Ich rate Herrn Kretschmer erst zu denken, dann zu reden.“

Kostprobe Nummer 2: Im Streit um den Notverkauf der Landesbank wirft SPD-Mann Karl Nolle Ministerpräsident Milbradt vor, über die Krisen der SachsenLB stets bestens informiert gewesen zu sein, der Regierungschef sage mithin die Unwahrheit. Diesmal antwortet Kretschmer gar, Nolle werde „mit seinen hassgetriebenen Dauerattacken zu einer Belastung für die Koalition“.

Das sehen nicht nur viele Christdemokraten so, sondern auch einige Genossen in der SPD. Die halten sich jedoch derzeit mit Kritik zurück, da man bei den Sozialdemokraten um ein Bild der Geschlossenheit bemüht ist. „Unsere Mitglieder dürfen frei ihre Meinung äußern – wir sind schließlich keine Einheitspartei“, sagt SPD-Chef Thomas Jurk. Auch gestern hielt man sich in der SPD-Spitze vornehm, aber zähneknirschend mit neuen Attacken zurück. Dabei ist der nächste Krach schon programmiert.

Wenn SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss am kommenden Freitag seinen Rücktritt erklärt, wird eine geharnischte Kritik an der CDU und seinem Vorsitzenden erwartet, die das Koalitionsklima kaum verbessern dürfte. Der interne Zeitplan der Fraktion sieht dabei vor, dass bereits eine Woche später – am 21. September – ein Nachfolger von Weiss gewählt werden soll. Als aussichtsreichster Anwärter gilt dabei der Parlamentarische Geschäftsführer Martin Dulig.

Für Milbradt bietet die ewig schwelende Zwietracht der Koalition aber auch Chancen. Zwar wird die Regierungsfähigkeit des Bündnisses immer wieder in Zweifel gezogen. Zugleich aber kann sich der angeschlagene Parteichef auf Kosten des ungeliebten Partners mit scharfen Attacken profilieren. Schließlich nehmen viele Christdemokraten die Koalition mit der SPD bis heute nur als notwendiges Übel hin. Sie ärgern sich täglich aufs Neue über die als lästig empfundene Zusammenarbeit.

Bis zum Parteitag kann sich Milbradt noch bemühen, ein wenig an der Basis zu punkten. Sei es morgen bei der Grundsteinlegung eines neuen Solarzellen-Werkes in Bischofswerda oder am Abend bei seiner Rede im Leipziger Rathaus zum optimistischen Thema: „Der Freistaat Sachsen auf dem Weg in die Zukunft“. Die Stunde der Wahrheit schlägt dann am Sonnabendvormittag in der Dreifeldsporthalle am Schwanenteich von Mittweida, wo sonst Schulen und Vereine zum Sport erscheinen, „De Randfichten“ spielen oder Reptilienschauen stattfinden.

In der Dresdner Parteizentrale der Christdemokraten wartet man jedenfalls gespannt darauf, ob es Milbradt mit giftigen Tieren in den eigenen Reihen zu tun bekommt – oder die Appelle zur Geschlossenheit von CDU-Granden wie Thomas de Maizière und Steffen Flath, Heinz Eggert und Matthias Rößler an der Basis weitgehend Gehör finden. Abgestimmt wird schließlich geheim – und Überraschungen, so sagen die Strippenzieher, sind weder bei Milbradt noch in seiner Partei ausgeschlossen.
von Sven Heitkamp

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