Agenturen, dpa/sn, 15:06 Uhr, 16.09.2007
Opposition erwägt Klage auf Herausgabe von Verfassungsschutz-Akten
Dresden (dpa/sn) - Grüne, FDP und Linke wollen Sachsens Regierung in der mutmaßlichen Korruptionsaffäre notfalls mit einer Klage zur Übergabe von Verfassungsschutzakten an den Untersuchungsausschuss des Landtags zwingen. Eine Frist zur Übergabe der Unterlagen hatte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) in der Nacht zum Samstag unter Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken verstreichen lassen. Der Koalitionspartner SPD distanzierte sich von Buttolos Entscheidung. Die Akten hatten eine Affäre um den Verfassungsschutz und eventuelle Versäumnisse der Regierung im Kampf gegen Korruption und Organisierte Kriminalität ausgelöst.
Für Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) stehen die Ermittlungen in der «Phantomaffäre» kurz vor dem Abschluss. Die eingesetzte behördeninterne Kommission werde in wenigen Wochen ihre Berichte zu den Vorgängen im Landesamt und der Polizei vorlegen, sagte Milbradt am Samstag auf dem CDU-Landesparteitag in Mittweida. Auch die Justiz werde mit ihrer Arbeit «in absehbarer Zeit zu Ende» sein. «Dann ist die Geschichte abgeschlossen.» Mit Verweis auf die Dresdner Staatsanwaltschaft sagte Milbradt: «Heute wissen wir, dass kaum oder gar nichts Verwertbares in den Akten steht.» Es gebe keine Mafia oder Korruption im großen Stil in Sachsen.
«Es stellt sich schon die Frage, warum die Staatsregierung die Akten nicht übergibt, wenn an der Affäre angeblich nichts oder kaum etwas dran ist», erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen- Fraktion und Obmann im Untersuchungsausschuss, Johannes Lichdi, in einer Mitteilung am Sonntag. «Mit der Verweigerung der Akten verstößt die Staatsregierung gegen Grundregeln der Demokratie.» Lichdi kündigte an, das Aufklärungsrecht beim Verfassungsgerichtshof in Leipzig notfalls auch einzuklagen. Er werde dem Ausschuss diesen Weg in der nächsten Sitzung vorschlagen, sollten die Akten bis dahin nicht vorliegen. Er erinnerte, dass auch die Koalitionsfraktionen im Ausschuss für eine sofortige Aktenübergabe gestimmt hätten.
Auch die Linkspartei will rechtliche Schritte gegen die Regierung prüfen. «Was die Staatsregierung jetzt tut, ist ein Frontalangriff auf die Grundfesten unserer Rechtsordnung», erklärte der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Bartl, der zugleich Vorsitzender des Untersuchungsausschusses ist.
Die SPD distanzierte sich von Entscheidung des Koalitionspartners. «Innenminister Buttolo hat in eigener Verantwortung entschieden, die vom Untersuchungsausschuss zur Korruptionsaffäre geforderten Akten nicht herauszugeben», sagte der SPD-Generalsekretär Dirk Panter. «Sollte es im Ausschuss ein Begehren für eine klage geben, werden wir definitiv nicht dagegen stimmen», sagte er der dpa. Der aktuelle Stillstand müsse beendet werden. Der FDP-Landeschef Holger Zastrow kündigte für seine Partei die Unterstützung einer Klage an. «Wenn der Minister nicht einlenkt, lässt er uns keine andere Wahl.»
Das Ministerium verweigert die Übergabe, weil die Anklagebehörde ihre Ermittlungen gefährdet sehe. Nach einer Übergabe der Akten könne die Vertraulichkeit der Inhalte bei «so öffentlichkeitswirksamen Angelegenheiten» nur schwer gewährleistet werden. Dem Sender MDR 1 Radio Sachsen sagte Buttolo, die Staatsregierung zweifele zudem nach wie vor daran, dass die Einsetzung des Ausschusses und dessen Untersuchungsauftrag verfassungsgemäß sei. Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit will Justizminister Geert Mackenroth (CDU) am Montag ein Rechtsgutachten zweier unabhängiger Sachverständiger vorstellen. «Die Bürger, die Aufklärung erwarten, haben ein Recht darauf, dass ein Untersuchungsausschuss nur auf sauberer rechtsstaatlicher Grundlage arbeitet», schrieb der CDU- Obmann im Ausschuss, Christian Piwarz, in einer Erklärung am Sonntag.
Die Unterlagen sollen Informationen zu möglichen kriminellen Netzwerken im Vogtland und Leipzig enthalten. Darin sollen auch Politiker, Polizisten und Justizbeamte verwickelt sein. Auf Betreiben von Linken, FDP und Grünen gibt es seit Juli im Landtag einen Untersuchungsausschuss.
dpa dk yysn z2 ml
161506 Sep 07