DNN/LVZ, 17.09.2007
Gedrückte Stimmung
CDU-Parteitag wählt Milbradt / Kritik hinter Kulissen / Gute Quoten für de Maizière und Kretschmer
Mittweida. Es ist Sonnabend kurz vor 13.30 Uhr in Mittweida. Ganz vorn rechts, in der ersten Reihe der Sporthalle am Schwanenteich, sitzt Georg Milbradt (CDU) mit gequältem Lächeln und wartet. Eben haben die rund 230 Delegierten auf dem CDU-Landesparteitag ihre Stimmzettel abgegeben, was fehlt, ist noch das Ergebnis. Dann ist es soweit, durch den Saal ertönt die entscheidende Zahl: 73,8 Prozent für den Parteichef – drei Prozentpunkte weniger als 2005, ohne Gegenkandidat.
Es geht ein Raunen durch den Saal. Als erster schreitet CDU-Fraktionschef Fritz Hähle auf Milbradt zu und gratuliert. Dann erhebt sich auch der Wiedergewählte schwer vom Sitz, umzingelt von dutzenden Journalisten. In einer kurzen Ansprache dankt Milbradt „für das Vertrauen“, das ihm knapp drei Viertel der Unionschristen ausgesprochen haben. Zu „den anderen“ sagt Milbradt: „Wir werden uns anstrengen, damit wir aus der schwierigen Situation wieder herauskommen.“
Genau dafür sollte der Parteitag die Weichen stellen. Nach den Turbulenzen der vergangenen Monate, nach Aktenaffäre und dem Notverkauf der SachsenLB, nach Mügeln und üblen Koalitionsquerelen wollte der CDU-Chef zum Neustart blasen – mit einem möglichst guten Ergebnis.
Von einem Aufbruchssignal aber ist in Mittweida wenig zu spüren, die Stimmung an den Stehtischen nach dem Urnengang ist merkwürdig gedrückt. Zwar gibt es offiziell moderate Statements zum Wahlergebnis. Sie reichen von „ordentlich“ (JU-Chef Christian Piwarz) über „war zu erwarten“ (Ex-Minister Matthias Rößler) bis „gut“ (Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, siehe Interview). Unter der Hand aber kursiert Ernüchterung, ja Frust. Das Ergebnis sei „unehrlich und erpresst“, sagt eine Delegierte aus Ostsachsen; eine „blamable, von oben bestellte“ Quote sei es, raunt ein Nordwestsachse. Am härtesten formuliert es ein CDU-Kabinettsmitglied. „Der Parteitag hat die Landesspitze abgewatscht.“
Dahinter steht die Tatsache, dass auch Kultusminister Steffen Flath als Landesvize mit 72 Prozent einen erheblichen Dämpfer erhält. „Die Partei hat Milbradt gezeigt, dass es so nicht weitergeht“, sagt ein Delegierter, „und der Kronprinz soll auch nicht mehr Stimmen bekommen als der Chef.“ Umso beachtlicher sind die Quoten von de Maizière als Beisitzer und Michael Kretschmer als Generalsekretär. Beide rangieren jenseits der 80 und somit über Milbradt.
Dabei hatte der CDU-Chef zuvor noch in seiner einstündigen Rede versucht, die Delegierten geschlossen auf seine Seite zu ziehen. Nach den Affären müssten „in Dresden wieder bessere Schlagzeilen produziert werden“, hatte er in die Halle gerufen, „Verkauf und Kommunikation müssen besser werden“. Ja, sogar von einem „Scherbenhaufen“ hatte er gesprochen, vor dem die Union „fassungslos“ stehe. Eine handfeste Generalabrechnung in der Sache aber blieb Milbradt schuldig. Für ihn sind es mal die Medien, die – Aktenaffäre oder Mügeln – die Lage ungerechtfertigt eskalieren lassen, mal ist es die Opposition von Grünen, FDP und – allen voran – Linken, die „eine Kampagne gegen unser Land betreiben“, die „verantwortungslos und schädlich“ sei. Davon dürfe sich die CDU nicht bange machen lassen, müsse vielmehr nach vorn schauen, versuchte Milbradt für sich zu werben.
Hier aber bleiben Delegierte wie Spitzenfunktionäre reserviert. Die CDU habe sich zwar zähneknirschend hinter ihren Chef gestellt, heißt es, um sich nicht selbst zu beschädigen. Doch die Wiederwahl sei zugleich Milbradts letzte Chance. Jetzt komme alles darauf an, dass die Kabinettsumbildung ein großer Wurf werde. Die Riege muss bis Anfang nächster Woche stehen, damit die neuen Minister in der folgenden Landtagssitzung vereidigt werden können.
Wichtig darüber hinaus ist die Frage, ob zum Jahresende der Notverkauf der Landesbank mit einem guten Ergebnis endet – oder mit Verlusten fürs Land. In den nächsten Monaten werde sich erweisen, wie es weitergeht, meint ein Ex-Minister. Sonst würden sich ein paar Leitwölfe überlegen, ob es „auch anders geht“. Kritiker Milbradts gehen sogar schon jetzt davon aus, dass er nicht mehr der Spitzenmann für die Wahl 2009 ist – und die Demontage im nächsten Jahr beginnt.