Dresdner Morgenpost, 07.03.2006
Schnüffel-Staatsanwalt wird INES-Aufpasser
DRESDEN -Gut geschnüffelt ist halb gewonnen! Erst bespitzelte er einen Morgenpost-Journalisten, wollte sogar an die geheimen Daten seiner eigenen Kollegen ran. Jetzt gibt's für Spitzel-Staatsanwalt Oliver M. (35) den Ritterschlag. General Jörg Schwalm (63) holt den Lauschmeister in seine Behörde, macht ihn sogar zum neuen INES-Aufpasser.
Rückblende: Nachdem die Morgenpost im Mai letzten Jahres über die Razzia bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) berichtet hatte, begann die
Staatsanwaltschaft in Chemnitz im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft gegen die eigenen Kollegen zu ermitteln. Vorwurf: Ein Ermittler der Antikorruptionseinheit INES soll den Termin der Razzia ausgeplaudert haben.
Staatsanwalt M. kämpfte an vorderster Front und mit harten Bandagen. Einem Kollegen ließ er Telefone anzapfen und Konten ausspähen. Auch die Telefondaten eines Reporters gelangten auf diese Weise in seine Hände. Selbst das gesamte Verlagshaus der Morgenpost und der Sächsischen Zeitung sollte angezapft werden. Als Oliver M. die ungeheure Dreistigkeit besaß, nach Telefonunterlagen aller 48 teils hochrangiger INES-Mitarbeiter (Staatsanwälte und Kriminalisten) zu greifen, war das selbst dem Amtsgericht zu viel-Antrag abgelehnt. Er kämpfte tapfer, weiter, wurde in letzter Minute vom Landgericht gestoppt.
Obwohl die Spitzel-Attacke und auch der Angriff auf die Pressefreiheit für eine riesige Welle der Entrüstung sorgten, blieb Staatsanwalt M. eifrig am Ball. Kein Wunder, hatte der Chemnitzer Schnüffler bis hin zum Justizminister allerhöchste Rückendeckung. Jede einzelne Aktion war penibel mit der Generalstaatsanwaltschaft abgestimmt.
Kein Aprilscherz: Zum 1. April hat General Schwalm seinen Mann fürs Grobe befördert, macht ihn zum Dezernenten und damit zur neuen „Dienstaufsicht" von INES. Eine gute Wahl, schließlich kennt Staatsanwalt M. seine Untergebenen bestens: als Verdächtige in der ominösen INES-Affäre. Die Beförderung also Belohnung für die eifrige Schnüffelei? General Schwalm: „Herr M. wurde ausgewählt, da er ein sehr qualifizierter Staatsanwalt ist."
So viel Fähigkeit musste man auch auf höchster Ebene anerkennen. »Die Abordnung von Herrn M. beruht auf einem Vorschlag von mir", gibt Schwalm unumwunden zu, lässt aber ein Hintertürchen offen: „Die endgültige Entscheidung hat das Justizministerium getroffen. Wie hoch die Personalie dort angebunden war, weiß ich nicht."
Minister Geert Mackenroth (CDU) will von der brisanten Personalie nichts gewusst haben: „Die Abordnung wurde von der Personalabteilung des Ministeriums vorgenommen."