Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 18:30 Uhr, 02.11.2007

«Eklatante» Führungsdefizite

Gutachter sehen keine Anzeichen für Netzwerk organisierter Kriminalität - Viele Fehler der Polizei
 
Dresden (ddp-lsc). Ein Gremium aus externen Gutachtern hat keine Anhaltspunkte für ein Netzwerk organisierter Kriminalität in Sachsen gefunden. Die Experten entdeckten jedoch in den vorgelegten Polizeiakten zu acht Komplexen Fehler in der Akten- und Ermittlungsführung sowie «eklatante» Führungsdefizite. Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) sicherte am Freitag eine weitere Aufklärung und Konsequenzen zu.

Das Gutachten war im Auftrag des Innenministeriums von Experten aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern erstellt worden, um die Arbeit der Polizei bei der Aufklärung von Fällen der organisierten Kriminalität zu prüfen. Sie arbeiteten seit dem 16. Juli rund 400 Aktenordner durch.

Der Leiter der Prüfgruppe, Ingmar Weitemeier, sagte, die festgestellten Führungsschwächen erstreckten sich bis ins sächsische Innenministerium. Vor allem die Arbeit mit V-Leuten in Leipzig sei äußerst kritikwürdig. Dort habe die Polizei außerdem in einem Ermittlungsverfahren wegen Mordversuchs an dem ehemaligen

Chef-Juristen der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), Martin Klockzin, der Staatsanwaltschaft Erkenntnisse vorenthalten.

Weitemeier wies darauf hin, dass zu den acht Fallkomplexen nicht alle Akten vorgelegen hätten. Die Fälle seien schon vor Jahren abgeschlossen worden und einige Unterlagen seien laut den gesetzlichen Fristen vernichtet worden. Zudem habe das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) seine Akten zu den Komplexen nicht zur Verfügung gestellt, kritisierte er. Bei dieser Behörde werde offenbar eine «Einbahnstraße» für Informationen praktiziert, denn auch die Ermittler der Polizei hätten keine Akten vom Verfassungsschutz erhalten.

Insgesamt habe er den Eindruck, die Ermittler hätten manche Dinge unternommen, «um einfach noch etwas zu finden», sagte Weitemeier. Personen oder Netzwerke sollten aber offenbar nicht geschützt werden. Buttolo sagte, er sei «natürlich mit den Ergebnissen sehr zufrieden». Mit der weiteren Aufarbeitung habe er bereits zwei Juristen aus dem Innenministerium beauftragt. Ein Polizist sei suspendiert worden, gegen weitere Mitarbeiter aus Polizei und Verwaltung würden disziplinarrechtliche Schritte geprüft.

Christian Piwarz, CDU-Obmann im Untersuchungssausschuss, kam zu dem Ergebnis: «Es gibt den angeblichen Sachsen-Sumpf nicht.» Dies sei ein «Gespinst», entstanden durch das unsaubere Arbeiten weniger Mitarbeiter von Verfassungsschutz und Polizei.

Die Leipziger Vorgänge um Klockzin und das damalige OK-Referat gelten als zentraler Punkt der Korruptionsaffäre, der auch in einer umfangreichen Datensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes eine Rolle spielen soll. In dem Aktenkonvolut ist nach Medienberichten von angeblichen Verbindungen sächsischer Politiker und Justizbeamter zum organisierten Verbrechen die Rede.
--Von Diana Wild--=

(Quellen: Weitemeier und Buttolo in Dresden; alle anderen in Mitteilungen)

ddp/wld/kos
021830 Nov 07

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