Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 09.11.2007

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Krise am US-Hypothekenmarkt zieht Kreise / Restriktive Kreditfinanzierung hemmt Investitionen
 
New York/Frankfurt. Die Milliardenabschreibungen von US-Banken infolge der Kreditkrise nehmen kein Ende: Nach dem Rekordverlust der Citigroup korrigierten auch Merrill Lynch und Morgan Stanley ihre Abschreibungen nach oben. „Rein psychologisch ist das die schlimmste Krise, die ich in meinen 30 Jahren als Banker erlebt habe“, sagte gestern Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.

Die Talfahrt am US-Finanzmarkt geht auch in dieser Woche weiter. Die zweitgrößte US-Investmentbank Morgan Stanley muss 3,7 Milliarden Dollar bereinigen. Der Gewinn im laufenden vierten Quartal werde dadurch voraussichtlich um 2,5 Milliarden Dollar (1,7 Milliarden Euro) sinken, wie der Konzern mitteilte. Auch Merrill Lynch ist offenbar stärker von der Hypothekenkrise betroffen als bislang angenommen. Das US-Institut räumte weitere Engagements in komplexe Schuldverschreibungen und zweitklassige Hypothekenkredite im Volumen von 6,3 Milliarden Dollar ein. Insgesamt summieren sich die Geschäfte des Konzerns mit diesen Finanzinstrumenten damit auf 27,2 Milliarden Dollar. Die US-Börsenaufsicht SEC hat wegen der Vorgänge um Merrill Lynchs Engagement auf dem Subprime-Markt eine Untersuchung eingeleitet.

Renommierte Finanzexperten wie Ex-Fed-Chef Alan Greenspan oder der Milliardär George Soros sehen bislang nur die Spitze des Eisbergs offen gelegt. Greenspan nannte bei einer Veranstaltung in Tokyo eine Summe von rund 900 Millarden Dollar schlecht gesicherter Hypotheken, die auf den internationalen Kapitalmärkten verbrieft worden sind. Der Chef des weltgrößten Rentenfonds Pimco, Bill Gross, sprach von einem „Eine-Billion-Dollar-Problem“.

Auslöser der Krise war die jahrelange Vergabe von Krediten an finanzschwache Kunden. Diese sogenannten Subprime-Schuldner konnten ihren Verpflichtungen wegen drastisch gesunkener Häuserpreise und gestiegener Zinsen in den USA häufig nicht mehr nachkommen. Oft wurden diese Hypotheken gebündelt in Wertpapiere an Investoren weltweit weiterverkauft, die deshalb zu Milliarden schweren Abschreibungen gezwungen werden.

Auch auf dem deutschen Finanzmarkt hinterlässt das hochspekulative Geschäft mit US-Hypotheken Bremsspuren. Zwar geraten Commerzbank und Postbank nicht so arg in Bedrängnis wie seinerzeit die IKB und die SachsenLB. Aber die Abschreibungen bei der Commerzbank erreichen inzwischen einen dreistelligen, bei der Postbank einen zweistelligen Millionenbetrag.

Dennoch beobachten zahlreiche Banker in jüngster Zeit Signale der Entspannung. „Nach unserer Einschätzung haben die deutschen Banken die von der US-Subprime-Krise ausgehenden Risiken weitgehend im Griff“, sagte Marco Bargel, Chefvolkswirt der Postbank. Seiner Auffassung nach sind die Turbulenzen mit den Wertberichtigungen im dritten Quartal im Großen und Ganzen ausgestanden. Er räumte aber ein, dass die Verwerfungen an den Finanzmärkten weiter schwelen.

Das bestätigten auch die Deutsche Bank und das französische Institut BNP Paribas. Sie erwarten in Deutschland noch bis weit ins nächste Jahr hinein keine Milliardenübernahmen durch Beteiligungsfirmen. In den nächsten sechs bis zwölf Monaten sei generell noch mit eher unruhigem Fahrwasser zu rechnen, sagte BNP-Deutschlandchef Joachim von Schorlemer. Die ersten großen Milliardendeals seien hierzulande im kommenden Jahr daher „eher später als früher“ zu erwarten.

In den vergangenen Wochen ist die Zahl großer Übernahmen durch Finanzinvestoren weltweit drastisch gesunken. Der Grund hierfür ist die vom US-Hypothekenmarkt ausgehende Vertrauenskrise an den Finanzmärkten. Banken sind deutlich restriktiver bei der Kreditvergabe geworden, da sie diese Risiken derzeit kaum mehr an Investoren weiterverkaufen können. Private Beteiligungsfirmen wiederum finanzieren den größten Teil ihrer Megadeals über Schulden.

Die Auswirkungen für die deutsche Konjunktur schätzen Analysten dennoch eher gering ein. „Der Aufschwung hierzulande wird in steigendem Maße von der Binnennachfrage getragen, so dass eine konjunkturelle Verlangsamung in den USA für Deutschland weniger stark ins Gewicht fällt“, sagte Postbank-Chefvolkswirt Bargel. Da die Unternehmen einen hohen Anteil ihrer Investitionen aus den Gewinnen finanzieren und ihre Verschuldung zudem stark reduziert haben, seien Engpässe auf der Finanzierungsseite infolge der US-Hypothekenkrise hierzulande nicht zu erwarten.
Birgit Schöppenthau/dpa/rtr

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