Sächsische Zeitung, 12.11.2007
Ex-Minister Rößler: Sachsen muss ein Sachse regieren
Mit einem Gastbeitrag reißt der Abgeordente den Ost-West-Konflikt in der CDU wieder auf.
Ein Satz von Thomas Jefferson gibt Matthias Rößler dem Leser am Ende noch mit auf den Weg: „Deine Kritiker sind deine Freunde, denn sie zeigen dir deine Fehler.“ Süffisant, ein wenig schnippisch klingt das, wenn man den Rest des Gastbeitrages in der „Süddeutschen Zeitung“ liest, mit dem der Ex-Wissenschaftsminister am Wochenende unter seinen Parteifreunden kräftig für Unruhe sorgte. Denn der Text des früheren DDR-Bürgerrechtlers, eigentlich eine Analyse zum 9. November, ist gespickt mit kleinen Attacken auf Regierungschef Georg Milbradt (CDU) – und einen seiner Kronprinzen, Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU).
„Wir brauchen eine Politik in, für und von Sachsen, auch an der Spitze des Freistaats“, kritisiert Rößler darin Milbradt, den Westdeutschen. Und: „Die Regierenden sollten aus der Mitte der Sachsen kommen.“
Rößlers Kinnhaken in Richtung „Wessis“ ist zwar nicht neu. Der Ex-Minister hatte schon des Öfteren keinen Zweifel daran gelassen, dass ihm Sachsen lieber sind. Doch dass er so direkt Milbradt angeht, noch dazu in einer Zeit, in der die Landesbank-Misere ihn schwer angeschlagen hat, kommt unerwartet. Zudem legt Rößler gerade in dem Punkt sogar noch nach: „Warum wird etwa beim Thema Sachsen Landesbank nicht offen geklärt, wie viel das Bankabenteuer den Steuerzahler letztendlich kosten kann?“, fragt er.
Der 52-Jährige will schon vorbauen, wenn Milbradt doch über den Notverkauf der Landesbank und mögliche Millionen-Verluste stolpern sollte, wird in Unionskreisen gemunkelt. Die Hauptstoßrichtung seines Gastbeitrags scheint damit klar: Noch einen „Wessi“ auf Sachsens „Thron“ soll es nicht geben. Und dieser Warnschuss dürfte Thomas de Maizière gelten.
Kritik an Kabinettsumbildung
Wieder einmal ist damit in Sachsens CDU das leidige Thema Ost-West aufgemacht. Wieder werden alte Gräben aufgerissen. Da ist auch das Grummeln über die jüngste Kabinettsumbildung noch längst nicht verstummt. Auch der entlassene Staatskanzleichef Hermann Winkler konnte seine Enttäuschung kürzlich nicht zurückhalten. Sachsen wünschten sich Sachsen an der Spitze, erklärte er in einem SZ-Interview. Doch statt dessen – ärgerlich für einige in der CDU-Landtagfraktion – rückten zwei Westdeutsche nach – Staatskanzleichef Michael Sagurna und Umweltminister Roland Wöller. Unter den Staatssekretären gibt es gar keinen Ostdeutschen mehr.
Zudem machte vor einigen Wochen ein Text des früheren Justizministers Steffen Heitmann in der CDU-Fraktion die Runde, der den alten West-Ost-Graben wieder aufriss. Der Mitherausgeber des in Bonn erscheinenden „Rheinischen Merkurs“ hatte nach der Ausländer-Hatz in Mügeln in einer ironisch-distanzierten Art einen offenen Brief an die „lieben Wessis“ geschrieben. Eine „Entschuldigung für die Wiedervereinigung.“ So hätten die „Ossis“ nie gelernt, „richtig mit unserer nationalsozialistischen Vergangenheit umzugehen“. „Juden lebten unter uns nur wenige, und sie waren nicht in einem Zentralrat organisiert, der zu allen gesellschaftlichen Fragen warnende Stellungnahmen abgibt“, schrieb Heitmann. Alles in allem: Eine verbittert klingende Abrechnung.
Besser schweigen, keine öffentliche Debatte – so verschwand der Heitmann-Text in der Versenkung. Doch Rößlers Text blieb auf Anfrage dann doch nicht unkommentiert. „Wer vor zehn oder 15 Jahren nach Sachsen gekommen ist, der ist auch ein Sachse“, versuchte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer die Debatte einzufangen.
von Annette Binninger