Freie Presse Chemnitz, Seite 4, 26.11.2007
Nachbeben und Rivalitäten
Milbradt bangt vor Bericht zum Landesbank-Engagement — Zweikampf um Nachfolge?
Dresden. Mit angehaltenem Atem blickt die sächsische Politikszene dem Jahreswechsel entgegen. Dann werden die Prüfer der Landesbank Baden-Württemberg Klarheit über den Umfang der Risiken gewonnen haben, die mit der Übernahme der Sachsen LB eingegangen wurden. Die Sachsen LB war Ende August in einem Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg veräußert worden. Die neuen Besitzer haben sich gegen den schlimmsten Fall abgesichert und könnten das Geschäft zulasten des Freistaates rückabwickeln.
Ein solch spektakulärer Schritt wird zwar nicht erwartet. Die Stuttgarter Bankiers diktieren aber, inzwischen frei von Aufsichtsgremien aus Sparkassen und Politik, die Preise. 300 Millionen Euro hatte sich der Freistaat als Erlös aus dem Notverkauf versprochen. In der miserablen Situation der globalen Kapitalmärkte gehen Experten nunmehr von einem weiteren Zuschussbedarf aus. Sollte er bei roo Millionen Euro liegen, wäre das angesichts sprudelnder Steuermehreinnahmen für den Haushalt verschmerzbar. Bedenkt man das Stammkapital von rund 900 Millionen Euro hätte das Landesbank-Engagement die öffentlichen Kassen insgesamt mit weit über einer Milliarde Euro belastet. Während die cleveren Schwaben ihre strategische Stellung quasi zum Schnäppchenpreis verbessern können, bangt Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) deshalb um ein mögliches politisches Nachbeben.
Risiken für Staatskasse können Milbradt in Bedrängnis bringen
Seine Kritiker werden ihm die Prognose vorhalten, dass keine weiteren Risiken für die Staatskasse zu erwarten seien. Inzwischen hat sich Matthias Rößler, sein finanzpolitischer Sprecher im Landtag, auf die Seite seines Erzrivalen
Karl Nolle (SPD) geschlagen. Der Querkopf aus dem Lager des Koalitionspartners fühlt sich in seinen Warnungen vor den unabsehbaren Risiken des Landesbank-Abenteuers bestätigt.
Parteiintern hat sich Rößler mit der öffentlichen Kritik an Milbradt jedoch keinen Gefallen getan. Als Rohrkrepierer werteten Parteifreunde das Echo, das sein Plädoyer auslöste, der nächste Ministerpräsidenten müsse aus Sachsen kommen. Die Mehrzahl der Leserbriefschreiber, die in seinem Regionalblatt, der „Sächsischen Zeitung", zur Diskussion aufgefordert wurden, stellten Qualifikation als Kriterium für ein politisches Spitzenamt vor die landsmannschaftliche Herkunft.
Unabhängig davon, ob Georg Milbradt über die Landesbank-Folgen vorzeitig stolpert oder wie geplant 2009 erneut als Spitzenkandidat der CDU kandidiert, bleibt die Diskussion um seine Nachfolge spannend. Thomas de Maizire, neben Kultusminister Steffen Flath der heißeste Favorit, wird sich im Vorfeld der nächste Wahl möglicherweise mit Matthias Rößler auseinandersetzen. De Maizire spekuliert als Bundestagskandidat auf den Wahlkreis , Riesa-Meißen-Großenhain. CDU-Kreisvorsitzender ist dort Rößler. Er ist in der Region fest verankert, aber nicht unumstritten.
Wenn Rößler in der Landespolitik kein weiteres Fortkommen sieht, könnte er nach Berlin ausweichen wollen. Thomas de Maiziére, der Chef des Bundeskanzleramtes, hat in seiner politischen Laufbahn noch kein Duell um ein politisches Mandat austragen müssen. Sollte er einem heiklen Zweikampf ausweichen wollen, würde er in einem anderen Kreisverband mit offenen Armen empfangen, in Chemnitz nämlich. Dort sucht man seit langem einen Kandidaten mit Siegernimbus.
von Hubert Kemper