DIE WELT, 14.12.2007
Krise um SachsenLB
Eigene Partei verärgert über Milbradt
Die marode sächsische Landesbank wurde vor der Schließung gerettet. Doch damit verstummt die Kritik am Krisenmanagement des Ministerpräsidenten Milbradt nicht. Der Koalitionspartner SPD und auch die eigene Partei gehen auf Distanz zu Milbradt. Der will aber nicht zurücktreten.
Auch nach dem Verkauf der schwer angeschlagenen Landesbank Sachsen (SachsenLB) an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) steht Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) im Kreuzfeuer der Kritik. Sowohl die CDU-Faktion als auch der Koalitionspartner SPD gingen gestern auf Distanz zum Regierungschef. CDU-Vize Steffen Flath, der als sein möglicher Nachfolger gilt, sagte WELT ONLINE: „Man muss auch Fehler eingestehen können.“ Das erzielte Ergebnis lasse sich nicht als Erfolg verkaufen.
„Es gibt in der sächsischen CDU eine latente Stimmung gegen Milbradt“, zitiert die „Berliner Zeitung“ den sächsischen CDU-Politiker Heinz Eggert. Der frühere Innenminister des Landes würdigte allerdings, dass der Regierungschef versucht habe, „den bestmöglichsten Kompromiss auszuhandeln.“
Die Landesbank war in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag an die LBBW verkauft worden. Bei dem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon in Frankfurt, an dem Milbradt ab Mitternacht persönlich teilnahm, übten sowohl Bundesbank als auch Finanzaufsicht massiven Druck aus. Teilnehmer berichten, dass ohne Einigung die sofortige Schließung der Bank angedroht worden sei. Dadurch wäre Fachleuten zufolge ein Schaden von sechs bis zehn Milliarden Euro entstanden.
Die SachsenLB wird jetzt für 328 Millionen Euro an die LBBW verkauft. Dieser Betrag ist allerdings wenig aussagekräftig. Entscheidender ist eine andere Komponente: Der Freistaat Sachsen muss für Risiken in Höhe von bis zu 2,75 Milliarden Euro haften. Ob diese Summe vollständig gezahlt werden muss, hängt davon ab, wie lange die Krise auf den Finanzmärkte anhält.
Die SPD hofft auf einen Personalwechsel
Der CDU-Haushaltpolitiker Matthias Rößler kritisierte im Parlament, vom Land werde „eine schwere Last zu schultern sein“, die im Haushalt noch viele Jahre einen großen Stellenwert einnehmen würde. Auch in der Krisensitzung der Koalitionsfraktionen gingen Parteifreunde mit Milbradt ins Gericht. Ein CDU-Abgeordneter erklärte, die Fraktion werde für die Konditionen beim Verkauf der Bank keine Verantwortung übernehmen. Absetzungsbewegungen von Milbradt gibt es ebenfalls bei der SPD. Wirtschaftsminister Thomas Jurk erklärte, „Sachsen hätte sich das weiß Gott nicht leisten können“. Nach der Prüfung der Vorgänge „reden wir auch über die politische Verantwortung“, sagte der Stellvertreter von Milbradt, der allerdings selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Bank ist.
Insgeheim hofft die SPD, dass die CDU ihren Regungschef so schnell wie möglich auswechselt. „Koalitionen sind eine Vereinbarungen zwischen Parteien – aber nicht zwischen Personen“, betonte Generalsekretär Dirk Panter.
Der frühere SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss forderte Milbradt im Gespräch mit WELT ONLINE indirekt zum Rücktritt auf: „Wer die Ehre als Kapitän genießt, muss auch die Verantwortung tragen, wenn das Schiff untergeht. Ich an seiner Stelle wäre schon zurückgetreten.“ Intern ist man sich in der SPD weitgehend einig, „dass man mit diesem Ministerpräsidenten nicht weiter koalieren kann“, sagte ein führender Genosse. „Der Mann wird sonst häppchenweise zerlegt.“ Milbradt selbst hatte das in Frankfurt erzielte Verhandlungsergebnis als „respektabel“, aber „bitter“ bezeichnet. Er räumte ein, dass Anfang nächsten Jahres über politische Verantwortlichkeiten gesprochen werden müsse. Zur „richtigen und fairen Aufarbeitung des Geschehenen“ würden in den nächsten Wochen intensive Untersuchungen laufen.
Muss Sachsen bald Kosten von 800 Millionen Euro schultern?
Dazu solle beispielsweise von der Wirtschaftsprüfgesellschaft „Ernst & Young“ ein Gutachten erstellt werden. „Ich empfehle allen, erst einmal aufzuklären, zu bewerten und dann zu verurteilen“, sagte Milbradt. Dabei gehe es auch um die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung. Mit diesem Vorgehen will der Regierungschef nach Ansicht seiner Kritiker lediglich Zeit gewinnen. Nachdem die SachsenLB im August in eine Notlage geraten und an die LBBW verkauft worden war, hatte der Kabinettschef versprochen, dass der sächsische Steuerzahler für das Debakel nicht aufkommen müsse. Dieses Versprechen wird ihm jetzt vorgehalten.
Bankenkreise gingen davon aus, dass die Bürgschaft von 2,75 Milliarden zu mindestes 30 Prozent fällig werden könnte. Dadurch würde auf den Freistaat Sachsen, dessen Markenzeichen eine solide Finanzpolitik ist, eine Belastung von gut 800 Millionen Euro zukommen. Sie könnte nur durch neue Schulden geschultert werden. Der Dresdner Finanzwissenschaftler Helmut Seitz sprach von einem „schrecklichen Unfall“, dessen Folgen Sachsen aber verkraften könne. Nach Bayern hat der ostdeutsche Freistaat die niedrigste Verschuldung aller Bundesländer. Der Bankenexperte Wolfgang Gerke kritisierte die Vorgänge um die SachsenLB scharf: „Es ist unverantwortlich, was dort passiert ist – die Politik muss jetzt auch personelle Konsequenzen ziehen.“
Von Sven Heitkamp und Uwe Müller