Sächsische Zeitung, 19.01.2008
Landesbank-Verkauf könnte noch platzen
Der neue Eigentümer in Stuttgart kann bis zum Februar von dem Vertrag zurücktreten.
Still geworden schien es um die Sachsen-Landesbank (LB). Seit dem dramatischen Verkauf kurz vor Weihnachten, der nur mit Mühe und einer milliardenschweren Landesbürgschaft das Institut vor der Insolvenz bewahrte, schien die Lage wieder beruhigt. Eine trügerische Stille. Gestern reichte eine kleine, neue Information aus, um zu zeigen, welche politische Sprengkraft das Thema nach wie vor birgt.
So bestätigte gestern überraschend der neue LB-Eigentümer, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), dass er noch bis Mitte Februar vom Kauf zurücktreten könne. Ein entsprechendes Rücktrittsrecht sei dementsprechend verlängert worden.
Kalt erwischt wurde von dieser Nachricht offensichtlich die sächsische Landesregierung. Im Finanzministerium löste sie hektische Betriebsamkeit aus. Bisher hatten sowohl Regierungschef Georg Milbradt als auch Finanzminister Stanislaw Tillich (beide CDU) stets davon gesprochen, dass die Baden-Württemberger nur bis Jahresende vom Kauf hätten zurücktreten können. Der Deal schien damit Anfang des Jahres endgültig unter Dach und Fach. Gestern nun mühte sich Sachsens Finanzministerium eilends, mit einem hilflosen Halb-Dementi die Angelegenheit herunterzuspielen. Zwischen den Zeilen herauszulesen: Nicht die LBBW, sondern vielmehr der Freistaat habe die Möglichkeit, sich bis Mitte Februar von seiner Garantieerklärung für die Bank-Risiken – also der Bürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro – zurückzuziehen. Bis zum Abend glühten dann nach SZ-Informationen die Drähte nach Stuttgart heiß. Kernfrage der Sachsen: Wo steht in den Verträgen etwas von einem Rücktrittsrecht der LBBW? Die Antwort blieb offen. Ratlosigkeit in Dresden. Dafür bekräftigten beide Seiten, dass sie davon ausgingen, dass sie die letzte Hürde für den Banken-Deal – die Zustimmung der EU – auch noch gemeinsam nehmen könnten.
EU-Zustimmung fehlt
Fakt bleibt: Solange die Europäische Union nicht grünes Licht für den Milliarden-Deal, vor allem für die Bürgschaft des Freistaats, gegeben hat, droht die Landesbank noch immer zu einem zweistelligen Milliardengrab zu werden. Problematisch wäre es für Sachsen dem Vernehmen nach aber auch dann, wenn die Wettbewerbskommission ein förmliches Prüfverfahren einleiten würde. Das könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern. Ohnehin kann derzeit niemand sagen, wann und in welcher Höhe Teile der Milliarden-Bürgschaft fällig werden. Bank-Insider warnen vor dreistelligen Verlusten noch in diesem Jahr.
Streit um Aufklärungsarbeit
Unterdessen droht die Aufklärungsarbeit im Untersuchungsausschuss des Landtags in einem ähnlichen juristischen Hick-Hack zu versanden wie schon im Fall der Verfassungsschutz-Affäre. Grüne, die Linksfraktion und Teile der SPD sprachen sich gestern erneut dafür aus, den Untersuchungsauftrag zu erweitern. Nur dann könnten dort Zeugen zum Notverkauf der Bank befragt werden. Doch die CDU meldete bereits verfassungsrechtliche Bedenken an der Vorlage an.
Wie schwer Aufklärung ist, dürfte der Untersuchungsausschuss auch am Montag spüren. Dann sind der Ex-Vorstandschef der Landesbank, Michael Weiss, sowie seine Lebensgefährtin Andrea Braun, Ex-Chefin der Landesbank-Tochter MDL, als Zeugen geladen. Weiss war Anfang 2005 bei vollen Bezügen suspendiert, Braun gekündigt worden. Beide leben heute auf der Sonneninsel Zypern. Dorthin wurde auch die Vorladung geschickt. Und da liegt sie vielleicht auch gut. Vermutet wird, dass beide gar nicht erst erscheinen. Ohnehin müsste Weiss zeitgleich als Zeuge vor dem Landgericht Leipzig aussagen. Dort wird eine Klage der Bank wegen ehrverletzender Äußerungen gegen Ex-Vorstand Rainer Fuchs verhandelt.
Von Annette Binninger