Dresdner Morgenpost, 26.02.2008
SPD-Fraktions-Chef Dulig: "Ich halte Andre Hahn nicht den Steigbügel"
DRESDEN-über die Schwierigkeiten in der Koalition, Erfolge in den vergangenen Jahren und mögliche Koalitionsabsichten sprach Morgenpost-Redakteur Jens Jungmann mit SPD-Fraktions-Chef Martin Dulig (33).
Wegen der SLB-Affäre haben Sie Ministerpräsident Milbradt empfohlen, über seine Verantwortung nachzudenken. Hat er das ausreichend getan?
Martin Dulig: Ich weiß nicht, ob er darüber nachgedacht hat und Konsequenzen ziehen will. Wichtig ist, wie es zum Verkauf der SLB kommen konnte, wer welche Verantwortung trägt. Und diese Frage stellt sich heute genauso drängend wie vor Weihnachten. Aber das muss jede Partei in den eigenen Reihen klären. Die CDU muss sich nur fragen lassen, ob sie dies konsequent genug getan hat. Die Debatte läuft dort ja auf Hochtouren, wie die Diskussion um den Sonderparteitag im Herbst zeigt.
Ist es vertretbar, dass Georg Milbradt weiter im Amt bleibt?
Zunächst mal: Diese Koalition ist keine Koalition zwischen Personen, sondern zwischen Parteien. Und die Parteien sind für ihr Personal selbst verantwortlich. Die Frage kann deshalb nur die CDU beantworten. Das ist nicht meine Baustelle, auch wenn ich meine eigene Meinung habe.
Welche Erwartungen setzen Sie in das Ernest & Young-Gutachten zur Sachsen LB?
Der Bericht ist ein Baustein, um die Hintergründe und Ursachen für das Bankendilemma aufzuklären. Die Verantwortlichkeiten werden hoffentlich herauszulesen sein. Das Gutachten ersetzt aber nicht die politische Aufklärung. Es wird spannend, zu welchen Ergebnissen zum Beispiel der Untersuchungsausschuss
zur SLB kommen wird. Nur beides zusammen ergibt dann ein Bild.
Welche Schuld trägt die SPD am Crash der SLB? Auch Thomas Jurk und Wolfgang Tiefensee saßen im Verwaltungsrat...
Das werden wir sehen, wenn die Informationen vorliegen. Ich gehe davon aus, dass dann klar wird, dass gerade die SPD-Vertreter im Verwaltungsrat für mehr Transparenz und Offenheit gesorgt haben. Diese Politik haben wir schon vor der Koalition - mit
Karl Nolle im Besonderen - vertreten. Die meisten Gründe, die zur SLB-Krise führten, lagen im finanziellen Engagement der Bank, das außerhalb der Bilanzen stattfand, also am Verwaltungsrat vorbei. Nun ist zu klären, was die Räte überhaupt wissen konnten.
Aktenaffäre, SLB-Crash immer wieder bringt die CDU die SPD in Schwierigkeiten. Wie lange lassen Sie sich von der CDU um des Mitregierens willen noch demütigen?
Ich glaube, dass es innerhalb der SPD Fehler in der Kommunikation gegeben hat. Wir haben zu oft Nerven gezeigt. In der Öffentlichkeit kam an, dass die Koalition die ganze Zeit wackelt.
War es nicht so?
Es gibt doch einen Unterschied, ob man Kritik übt an gewissen Arbeitsweisen oder ob man die Koalition infrage stellt. Wir wurden gewählt, um Verantwortung zu übernehmen. Die Wähler würden nicht verstehen, wenn wir bei schwierigen Fragen gleich alles hinwerfen. Es gibt aber im konservativen Teil der Staatsregierung sehr wohl einen problematischen Umgang mit Krisen.
Was hat die SPD in drei Jahren Koalition erreicht?
Viele Sozialpolitiker der CDU finden in uns einen Partner, der Forderungen erfüllt, die sie gegen die Hardliner in der eigenen Partei nie durchsetzen konnten. So haben wir ein modernes Kita-Gesetz ohne Zugangskriterien durchgeboxt. Das hätte es sonst so nie gegeben. Die CDU hätte ohne uns nie 30 Millionen Euro in ein Ganztagsschulprogramm gesteckt. Bis vor ein paar Jahren war das doch für sie Teufelszeug.
Was haben Ihre beiden Minister, Eva-Maria Stange und Thomas Jurk, denn erreicht?
Wir haben mit Wissenschaft und Kunst sowie Wirtschaft und Arbeit zwei Ministerien, die entscheidende Weichen für die Zukunft stellen. Frau Stange hat durchgesetzt, dass es weiter keine Studiengebühren gibt. Das steht nun sogar im Gesetz. Herr Jurk kann mit superguten Zahlen glänzen - in Sachsen entstehen Arbeitsplätze, die Konjunktur läuft. Mit dem kommunalen Kombilohn, dem ersten Schritt zu einem sozialen Arbeitsmarkt, haben wir sozialdemokratische Ziele durchgesetzt.
Welche Ziele, welche Wünsche hat die SPD noch?
Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, weil sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Mittelfristig müssen zum Beispiel die Kita-Gebühren abgeschafft werden. Kitas sind keine Aufbewahrungs-, sondern Bildungseinrichtungen.
Wenn Unis ohne Gebühren auskommen, dann auch Kitas. Jeder braucht auch seine Chance auf dem Arbeitsmarkt: Ich möchte, dass jeder eine zweite und dritte Möglichkeit hat, zur Not über staatliche Programme.Außerdem sind Leih- und Zeitarbeiter keine Beschäftigen 2. Klasse, wir brauchen deshalb für
diesen Bereich gerechte Regeln. Und Mindestlöhne müssen her, was wir seit 2004 fordern. Jeder muss von seiner Arbeit ohne staatliche Unterstützung vernünftig leben können.
9,8 Prozent bei der Landtagswahl 2004, derzeit würden 15 Prozent der Sachsen SPD wählen. Wo wollen Sie 2009 hin?
Mein Ziel ist es, unser Ergebnis von 2004 mindestens zu verdoppeln. Die SPD hat gezeigt, dass sie wählbar ist und regieren kann. Und mit Thomas Jurk haben wir den richtigen Mann an der Spitze.
Mit wem könnte die SPD denn nach der Wahl koalieren?
Prinzipiell mit allen demokratischen Parteien. Realistisch ist aber, dass die große Koalition bleibt, sich die Gewichte jedoch in unsere Richtung verschieben. Andere Mehrheitsoptionen wird es kaum geben, auch wenn ich dafür offen bin. Aber ich bin der Letzte, der einer PDS unter Andre Hahn den Steigbügel hält, wenn sie noch vor der SPD liegen sollte.