Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland ND, 01.04.2008

Milbradt redet den Ausschuss schwindlig

Nicht zuständig, nichts gewusst: Regierungschef lehnt politische Haftung für Bankdebakel ab
 
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt bestreitet jede Mitschuld an der Beinahe-Pleite der Landesbank. Vor einem Untersuchungsausschuss erklärte er, für einen Strategiewechsel nicht zuständig und über Risiken nicht informiert gewesen zu sein.

»Macht mal die letzten Fotos«, sagt Karl Nolle. Es ist kurz nach zehn Uhr; die Fotoreporter in Saal A400 des sächsischen Landtags wollen gar nicht ablassen von Georg Milbradt. Sachsens Ministerpräsident soll an diesem Tag als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss zur Landesbank aussagen, und Nolles Bonmot ist durchaus anspielungsreich: Nach Ansicht vieler Beobachter hängt das politische Schicksal des CDU-Regierungschefs davon ab, wie er sich in der auf zwei Tage angesetzten Anhörung hält.

Milbradt spielt zunächst auf Zeit. Jovial lächelnd, schüttelt er allen Mitgliedern, Mitarbeitern und Beratern des Ausschusses bis hin zur Stenografin die Hand, vermeidet es aber peinlichst, im Beisein der Fotografen am Zeugentisch Platz zu nehmen. Erst als sie den Saal verlassen haben, beginnt ein Referat, das es in sich hat: Das an die Presse verteilte Manuskript umfasst 67 Seiten und ist der besseren Handhabbarkeit wegen gebunden.

Als der Ministerpräsident seinen Vortrag drei Stunden später beendet, hat er bestätigt, was vorab von ihm erwartet wurde: Milbradt, der nach dem Notverkauf der Landesbank im Dezember erklärt hatte, erst nach einer genauen Klärung der Hintergründe über politische Verantwortung reden zu wollen, lehnte deren Übernahme wortreich ab. Es könne, so einer der zentralen Sätze in seiner Verteidigung, »keine politische Haftung für Vorgänge geben, die die politische Ebene nicht erreicht haben«.

Milbradt hat, so das Bild, das der 63-Jährige gestern selbst zeichnete, vom dramatischen Ausmaß riskanter Geschäften der Landesbank in deren Dubliner Filiale nichts gewusst und war für den Strategiewechsel hin zu verstärktem Engagement am Kapitalmarkt politisch nicht zuständig. Zwar sei er in seiner Amtszeit als Finanzminister bis Januar 2001 auch Vorsitzender des Verwaltungsrates und anderer Gremien gewesen. Er habe aber »immer größten Wert darauf gelegt, risikoarme Geschäfte einzugehen«. Dies habe auch für die Gründung der Dubliner Filiale Sachsen LB Europe 1999 gegolten.

Den Vorwurf der Opposition, er sei Urheber eines Strategiewechsels hin zu stärkerem Engagement am internationalen Kapitalmarkt gewesen, wies Milbradt zurück. Als die neue Linie beschlossen wurde, sei er nicht mehr im Amt gewesen; die Zweckgesellschaften, deren Geschäfte der SLB schließlich zum Verhängnis wurden, seien noch später eingerichtet worden. Als Ausschuss-Vize Sebastian Scheel (LINKE) ihn dennoch zu dieser Zeit befragte, erwiderte Milbradt unwirsch, der Ausschuss prüfe nur das Handeln der Regierung, der er aber 2001 nicht angehört habe. Wie er die Bank in dieser Phase eingeschätzt habe, »geht Sie überhaupt nichts an«.

Auch als Ministerpräsident, der er 2002 wurde, will Milbradt vom Umfang der Geschäfte in Irland nichts gewusst haben. Als er deren Ausmaß im Sommer 2007 erfuhr, sei er »ziemlich erschüttert« gewesen; die Behauptung, er habe sich ständig über Interna der Bank auf dem Laufenden halten lassen, wies er als »abwegig« zurück. Das Manuskript für eine Regierungserklärung, in der Milbradt im März 2005 der SLB eine »ausgewogene Risikostruktur« attestiert und das Engagement in Dublin verteidigt hatte, sei im Finanzministerium geschrieben worden. Unter Verweis auf ein zuletzt von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Firma Ernst & Young schob Milbradt die Verantwortung an die Bankvorstände ab und warf der Opposition vor, sie »überspannen aus politischem Kalkül die Anforderungen an die Amtsführung des Ministerpräsidenten«.

Die so Gescholtenen gaben sich von der Verteidigungsrede des Regierungschefs indes wenig beeindruckt. Wenn dieser tatsächlich so wenig gewusst habe, wie er einräume, sei er »erst recht ein Generalversager«, sagte der Linksabgeordnete Klaus Bartl. Sein Kollege Klaus Tischendorf nannte es ein »kafkaeskes Schauspiel«, dass die Politik für die Milliardenschäden aus dem Debakel der Landesbank nicht verantwortlich sein wolle.

Auch Karl Nolle warf Milbradt vor, sich vor der Übernahme der Verantwortung zu drücken. Der SPD-Mann, der ungeachtet des Regierungsbündnisses seiner Partei mit der CDU Milbradt schon im Januar zum Rücktritt aufforderte, hatte im Vorfeld der jetzigen Vernehmung Unterlagen angekündigt, die nachweisen sollen, wie detailliert Milbradt über die Bank informiert war. Ob es dazu kommen würde, blieb aber gestern zunächst offen. Seine vieldeutige Bemerkung über »letzte Bilder« vom Regierungschef hatte Nolle ohnehin entschärft: »Morgen können auch noch Fotos gemacht werden.«
Von Hendrik Lasch, Dresden

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