DIE WELT, 01.04.2008
SachsenLB: Milbradt mag sich nicht politisch verhaften lassen
Der SachsenLB geht es schlecht – und die Frage steht im Raum, wer dafür die Verantwortung zu tragen hat.
Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) weist im Untersuchungsausschuss jede Schuld weit von sich.
Georg Milbradt, der häufig so mürrisch und zugeknöpft wirkende CDU-Ministerpräsident von Sachsen, beginnt mit einer Charmeoffensive. Minutenlang geht er unter Dutzenden Kameras durch den Saal A 600 des Dresdner Landtags, schüttelt lächelnd und scherzend viele Hände der Abgeordneten, als habe er Geschenke zu verteilen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Regierungschef muss im Zeugenstand des Landesbank-Untersuchungsausschusses Platz nehmen – und ausführlich zum Zusammenbruch der SachsenLB Rede und Antwort stehen.
Die irische Tochter des staatlichen Geldinstituts, SachsenLB Europe, hatte sich in den letzten Jahren mit Ramschhypotheken auf dem US-Kreditmarkt massiv verspekuliert. Das angeschlagene Mutterhaus war daraufhin 2007 in einem spektakulären Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) vor einer Pleite bewahrt worden. Der Freistaat musste dabei jedoch zur Risikoabschirmung eine Landesbürgschaft von rund 2,7 Milliarden Euro übernehmen, die den sächsischen Steuerzahler noch schwer belasten könnte. Angesichts der prekären Lage hat sich Milbradt auf den Auftritt bestens vorbereitet und startet die Vernehmung mit einem zweieinhalbstündigen Eingangsstatement. Darin weist der Ex-Finanzminister jedwede Mitschuld an dem Debakel von sich.
„Während meiner Zeit in den Gremien der Bank habe ich immer größten Wert darauf gelegt, risikoarme Geschäfte einzugehen.“ Diese solide Strategie habe sich ausgezahlt, „es wurden immer schwarze Zahlen geschrieben“, betont Milbradt. Nicht die Bank an sich sei das Problem gewesen, und er sei seiner Verantwortung und Pflicht stets gerecht geworden. Auch in der aktuellen, beispiellosen Finanzkrise habe er sich erfolgreich für den Verkauf der Bank an die LBBW eingesetzt. Die eigentliche Schuld für die Schieflage lastet Milbradt stattdessen den Bank-Managern an: Die Aufsichtsgremien seien von den Vorständen über Jahre hinweg „unvollständig“ über die Risiken der Kapitalmarktgeschäfte informiert worden. „Wenn dem so ist“, so Milbradt, „dann kann dem Ministerpräsidenten nicht vorgeworfen werden, er habe eine realistische Vorstellung gehabt oder haben müssen.“ Es könne keine politische Haftung für Vorgänge geben, die die politische Ebene nicht erreicht hätten.
Milbradt verweist dabei auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, das sich mit der Verantwortung für die Schieflage der Landesbank beschäftigte. Das Problem sei aber erst die massive Ausweitung der Auslandsgeschäfte und die Gründung außerbilanzieller Zweckgesellschaften mit großen Risiken gewesen. Diese seien erst ab 2004 und insbesondere Mitte 2005 ins Leben gerufen worden, als er nicht mehr für die Bank zuständig gewesen sei. Die Verantwortung dafür trage allein der Vorstand der SachsenLB. „Für falsche Entscheidungen und Einschätzungen der Manager einer Bank im Mitbesitz des Freistaates ist der Ministerpräsident nicht verantwortlich“, so Milbradt.
Der kleine Koalitionspartner SPD und die Opposition zeigen sich von Milbradts Vortrag allerdings wenig beeindruckt und verweisen auf die spezielle sächsische Vorgeschichte: So war der Volkswirtschaftler von 1990 bis 2001 unter Kurt Biedenkopf (CDU) Finanzminister des Freistaates, er hatte die einzige ostdeutsche Landesbank ab 1991 mit aufgebaut und war bis 2001 Vorsitzender der Aufsichtsgremien. Außerdem habe er sich als Regierungschef ab 2002 häufig in Vorgänge der Bank eingeschaltet.
Grünen-Obmann Michael Weichert kann sich daher schlechterdings vorstellen, dass der viel gepriesene Finanzexperte erst im August 2007 über die Existenz und den Umfang der Zockerei erfahren habe. „Ich bleibe dabei: Herr Milbradt trägt für das Finanzdebakel und den Landesbank-Crash die politische Verantwortung“, sagte Weichert. „Wenn nicht Milbradt die politische Verantwortung trägt, wer denn dann?“, fragte FDP-Chef Holger Zastrow.
Auch für SPD-Mann
Karl Nolle ist die Glaubwürdigkeit Milbradts mit dem Auftritt keineswegs wiederhergestellt. Für den früheren Vorstandschef der Landesbank, Michael Weiss, ging unterdessen ein langer Rechtsstreit mit dem Freistaat gestern erfolgreich zu Ende: Weiss erhält laut einem Vergleich mit dem Land noch eine Zahlung von 310.000 Euro, teilte das Leipziger Landgericht mit.
Von Sven Heitkamp