stern.de, 01.04.2008
Milbradt muss zurücktreten!
Kommentar von Frank Donovitz
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt muss die politische Verantwortung für das Debakel der Sachsen LB übernehmen - und sich von seinem Amt zurückziehen. Ebenso sollten die Landesbanken vom Markt verschwinden, bevor sie dort gänzlich zerfetzt werden.
Ein Geldhaus, das jetzt "Sachsen Bank" heißen soll, ist dort angekommen, wo es hingehört: In der Politik, vor einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zum Finanzdesaster jener Bank, die bis vor kurzem noch Sachsen LB hieß, wird der CDU-Politiker Georg Milbradt befragt. Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen gab sich stets und gerne als Finanzexperte. Will er von dem Debakel "seiner" Landesbank, dafür steht das omminöse Kürzel "LB", nichts oder zu wenig gewusst haben, ist zumindest dieser Teil seines Rufes ruiniert. Ob sich Georg Milbradts politisches Ansehen daneben noch aus anderen Teilen speist, sei dahingestellt. Ergäbe der Untersuchungsausschuss, dass Milbradt in Sachen Sachsen LB aber doch weitgehend wissend war, wäre sein gesamter politischer Kredit dahin.
Der Politiker Milbradt hat folglich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera - so, wie das politische Finanzvehikel "Landesbank" selbst. Denn es geht entweder Richtung Pleite, oder es löst sich - wie auch immer - in einem einzigen Institut auf. Ersteres geschieht bereits, letzteres schimmert ansatzweise am Horizont. Über Jahrzehnte dienten die bundesländereigenen Geldinstitute als eine Art staatlicher Säckel neben der eigentlichen Landeskasse. Warum? Ihren LB-Säckel kontrollieren stets die jeweiligen Landesregierungen, weit weniger deren Parlamente. So konnten regierende Provinzpolitiker über Jahre munteres "Staatsbanking" betreiben - mit dem Geld ihrer Steuerzahler. Das wollte wohl auch Georg Milbradt. Doch es ging schief. Nicht nur in Sachsen, sondern in jeder Landesbank hierzulande.
Sie finanzieren Provinzpossen
Der Grund ist einfach: Es gibt und gab für sie noch nie eine wirtschaftlich tragfähige Geschäftsidee - außer der kaum kontrollierten Finanzierung von Provinzpossen. Dass dies nicht nur ungenügend, sondern sogar bankbetrieblicher Harakiri ist, ist seit mindestens 30 Jahren bekannt. Schon Ende 1974 stand die Hessische Landesbank (Helaba) aufgrund solcher Geschäfte vor der Pleite. Kredite des Landes und die dortigen Sparkassen bewahrten das Institut. Der damalige hessische Ministerpräsident Albert Osswald (SPD), wie Georg Milbradt ein erklärter Finanzexperte, trat in der Folge zurück.
Die darauf folgende Geschäftsidee der LB-Politbankiers war, Sparkassen respektive deren (Groß-)Kunden, den Weg in die weite Welt zu eröffnen, sie dort in allen Finanzfragen zu begleiten. Den gemeindeeigenen Sparkassen ist dieser Weg per Dekret versperrt - also eine echte Marktlücke. Der Haken: Die deutschen Sparkassen benötigen kein ganzes oder halbes Dutzend "Begleiter", sondern exakt einen kompetenten, also genau eine Art "Landesbank". Und sie verfügen bereits in Teilen darüber - unter der Bezeichnung DekaBank. Diese simple Lösung scheitert bislang an, klar, diversen Landespolitikern. Und so fruchtete auch diese LB-Idee bestenfalls zeitweilig.
Risikoreiche Geschäfte - in der großen weiten Welt
Um ihre Existenz doch noch irgendwie zu rechtfertigen, gingen Landesbanken, allen voran die Sachsen LB, die West LB, die Bayern LB und die LB Berlin-Brandenburg (vormals "Bankgesellschaft"), immer risikoreichere Geschäfte ein - in der großen weiten Welt, fernab von Regionalförderung und Sparkassenkunden. Aus Provinzpossen wurden globale Wertpapier-Spekulationen. Deren Ergebnisse sind schon seit einigen Jahren und ganz besonders deutlich in den letzten Monaten zu erkennen: Milliardenverluste, Nahezu-Pleiten.
Bezahlen müssen diesen hoffentlich (!) letzten Akt des Staatsbankings die Bürger, die Gemeinschaft aller Steuerzahler. Unmittelbar bis jetzt in Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg. Mittelbar überall dort, wo Sparkassen für marode LBn in die Bresche springen, das für Deutschland wichtige Sparkassenwesen bilanziell geschwächt wird.
Milbradt sollte zurücktreten
Es ist Zeit für Offenbarungseide, politisch wie bankerisch. Georg Milbradt sollte die politische Verantwortung übernehmen, sich von seinem Amt zurückziehen. Ebenso sollten die Landesbanken vom Markt, bevor sie - dann noch teurer für uns alle - dort gänzlich zerfetzt werden.