www.juergen-roth.com, Blog, 04.04.2008
Ein kluges Medium reflektiert über den Sachsensumpf
Dr. Reiner Burger, ein FAZ-Redakteur aus Dresden, veröffentlichte in der Ausgabe vom 3. April 2008 im Feuilleton, Rubrik Medien, einen Artikel, in dem er meine Recherchen als peinlich und rückhaltlos zu diskreditieren versucht, ja sogar den ganzen Sachsensumpf als ausgetrockenete ‘Legende’ bezeichnet. Schön für Dr. Burger, gleichzeitig leider aber ein erneutes Beispiel für eine verzerrende und unsachliche Darstellung des Themas.
Dr. Burger studierte an der Katholischen Universität Eichstätt und war vor zehn Jahren noch Volontär bei der FAZ. Inzwischen hielt er auch Gastvorlesungen für Schreiben und Recherchieren an der Technischen Universität Dresden. In seinem Artikel für die FAZ demonstrierte er, geradezu wie aus dem Lehrbuch des kritischen Journalismus, von neuem was er zu leisten imstande ist. Der sogenannte Sachsen-Sumpf sei ausgetrocknet und ich hätte maßgeblich an der Berichterstattung zum Sachsen-Sumpf mitgewirkt. Das ist zwar Unsinn - aber bitte schön, einer solchen Edelfeder verzeiht man das gerne. Außerdem sei inzwischen der Vorwurf eines landesweiten Netzwerkes der Korruption kollabiert. Welch prophetisches Wissen.
Aber um seine These anzufüttern listet er meine journalistischen Sünden auf. Natürlich hat es im Verlauf meiner Veröffentlichungen immer wieder Klagen, auch zivilrechtliche Urteile gegen mich gegeben. Wer sich mit der Mafia und mafiosen und korrupten Netzwerken beschäftigt und das seit über 25 Jahren, macht diese Erfahrungen mit der Justiz zwangsläufig. Insbesondere wenn die Empörung zu stark ist und das journalistische und politische Verlangen, dass sich bestimmte Ehrenmänner nicht länger hinter der wohlanständigen Maske des Biedermanns verbergen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen die Quelle, des Quellenschutzes wegen, nicht genant werden dürfen und das führt dann ebenso zwangsläufig dazu, dass ich zurückstecken muss. Ich habe noch nie eine Quelle verraten und darauf bin ich stolz.
Das alles ist immer ein hohes Risiko, auch ein hohes finanzielles Risiko, und dafür hat es mich in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht allzu oft getroffen. Ich weiß nicht, wie viele Zivilprozesse und einstweilige Verfügungen die FAZ wie andere Medien (mit viel Geld im Hintergrund) im Verlauf der letzten 25 Jahren erlitten hat – einige dürften es sicher gewesen sein.
Das alles interessiert den FAZ-Aufklärer aus Dresden nicht. Er listet meine Sünden auf, um zu beweisen, dass am Sachsensumpf nichts dran ist. Richtig ist, dass ich in einem Fall, dem es Kaufmanns Poser aus Leipzig, der Aussage des Leiters des ehemaligen Liegenschaftsamtes Steiner vertraute und bei Poser keine Stellungnahme eingeholt habe. Das war ein grober Fehler, wäre jedoch in jedem anderen Bundesland allenfalls ein presserechtliches Verfahren geworden. Denn so bedeutsam sind die Blogbeiträge nun auch wieder nicht. Doch dieser konkrete Fall hat überhaupt nichts mit dem diskutierten Sachsensumpf zu tun. Was das Buch „Anklage unerwünscht“ angeht, so behauptet der FAZ-Aufklärer, dass ich einen Beitrag geschrieben habe und daher eine Unterlassungserklärung abgegeben habe. Woher weiß er, wer von den Autoren diesen Bericht in dem Buch geschrieben hat?
Tatsache ist, dass der Sachverhalt, wonach ein ehemaliger Staatsanwalt korrupt gewesen sein soll, in Akten der Staatsanwaltschaft auftauchte und sich erst durch die Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft in den letzten Wochen herausstellte, dass der den Staatsanwalt belastende Zeuge die Unwahrheit gesagt hat. Und natürlich ist es deshalb klar, dass in einer Neuauflage des Buches dies entsprechend geändert wird. Wie viele andere Dinge auch die Sachsen betreffen. Richtig ist, dass ein Buch von mir, „Die graue Eminenz“, nicht weiterverkauft wurde. Das ist neun Jahre her. Hier habe ich Polizeiunterlagen zitiert, die nicht verifiziert werden konnten. Das war in meiner journalistischen Berufslaufbahn sicher der gravierendste Fehler. Ja und? Übrigens ist der Anwalt, der mich damals wegen dieses Buches vor das Hamburger Landgericht brachte, heute mein Anwalt in Sachen Sachsensumpf.
Noch einmal. Natürlich habe ich in der Vergangenheit Fehler gemacht - doch daraus Artikel zu konstruieren, die nur dem einen Ziel dienen zu beweisen, es gäbe keinen Sachsensumpf – das ist schon kafkaesk. Vielleicht sollte der FAZ-Redakteur, der dafür bekannt ist, dass er unheimlich viel recherchiert und natürlich kein Sprachrohr der sächsischen Landesregierung bzw. einiger Staatsanwälte ist, sich einmal den Artikel von Christiane Kohl in der Süddeutschen Zeitung vom 2. April 2008 durchlesen. http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/944/166467/ ------ Einen Tag später veröffentlichte übrigens Burger seinen Artikel – wer arges dabei denkt...
In diesem Artikel wird genau beschrieben wie man in Sachsen mit Zeugen im Zusammenhang mit dem Sachsensumpf umzugehen pflegt. Aber wahrscheinlich wird auch das üble Propaganda sein, weil es nicht ins ganz besondere sächsische Weltbild passt. Und deshalb zitiert auch niemand diesen Artikel in Sachsen. Also: Man kann mit journalistischer Aufklärung, wie durch den Dresdner FAZ-Journalisten versuchen, den „Sachsensumpf“ als Fata Morgana darzustellen, man kann diffamieren oder politisch die Keule des Strafrechts benutzen – sicher ist nur: Früher oder später wird das gesamte mafiose Netzwerk in Sachsen aufgeklärt werden – auch wenn die Angst in Sachsen um sich greift. Noch ist Sachsens demokratisches System glücklicherweise nicht ganz versumpft. „Aufzuarbeiten“, schreibt die kluge Feder Dr. Burger in seinem Artikel, „ ein Verfassungsschutzskandal von bedrückendem Ausmaß.“ Das mag sein. Dummerweise wurden die zuständigen Beamten des Verfassungsschutzes noch nicht gehört. Aber aufzuarbeiten ist auch ein Medien- und Justizskandal von ebenso bedrückendem Ausmaß! Und da wird der Name Burger natürlich keine Erwähnung finden.