Sächsische Zeitung, 07.04.2008
Regieren mit Rendite
Worum geht es bei den Vorwürfen gegen Ministerpräsident Georg Milbradt? Eine Analyse.
Georg Milbradt wird das leidige Thema Landesbank einfach nicht los. Ja, er habe sich Mitte der 90er Jahre an einem Fonds beteiligt, der für die Zentrale der Landesbank Sachsen in Leipzig aufgelegt wurde. Das ließ er das ganze Wochenende über trotzig seinen Regierungssprecher auf Nachfragen ausrichten. Und zur Finanzierung habe Milbradt einen Kredit bei dem kurz zuvor gegründeten Institut beantragt, dessen Verwaltungsrat er selbst vorstand. Er genehmigte damit also qua Amt seinen eigenen Kredit.
Auch wenn sich der Laie darüber wundern mag – juristisch betrachtet war das nach bisherigen Erkenntnissen ein durchaus legales, sauberes Geschäft, aber moralisch ist es angreifbar – und politisch ohnehin mehr als leichtsinnig.
Der Fall
Der Anfang der Geschichte, die jetzt der „Spiegel“ nach Jahren erneut aufgerollt hat, geht in das Jahr 1996 zurück. Georg Milbradt war zu dieser Zeit noch Finanzminister; und damit automatisch Chef des Verwaltungsrats der Bank sowie Mitglied des Kreditausschusses. Die Gründung der einzigen ostdeutschen Landesbank war knapp vier Jahr zuvor beschlossen worden. Der Bau ihrer Zentrale in Leipzig – eine Investition von rund 88 Millionen Euro – sollte zum Teil durch einen Fonds finanziert werden; aufgelegt wurde er von der Deutschen Leasing AG, die mehreren Sparkassenverbänden gehört.
Für damalige Verhältnisse war der Fonds mit dem Titel „Kyma Löhr’s Carré“ eine schier bombensichere und verlockende Anlage-Chance. Denn die Mieter des Bank-Hochhauses standen im Gegensatz zu vielen anderen, später fehlgeschlagenen Immobilien-Projekten im Osten bereits vor dem Bau fest: Die Landesbank Sachsen trat als Leasingnehmer auf. Laufzeit: 20 Jahre. Danach hat sie die Option, das Gebäude zu kaufen. Verlockend war vor allem die für einen Ostfonds ungewöhnlich hohe Rendite von 9,3 Prozent.
Der Einstieg in den Fonds war mit der Auflage verbunden, knapp die Hälfte der Investitionssumme durch ein Darlehen der Landesbank zu finanzieren. Milbradt stieg mit etwa 53000 Euro ein. Wie im Fondspaket vorgesehen beantragte er nach SZ-Recherchen dafür einen Kredit bei der Landesbank in Höhe von etwa 44 Prozent der Gesamtsumme. Milbradt wurden dabei laut Staatskanzlei keinerlei Sonderkonditionen eingeräumt. Der Fonds war für jedermann zugänglich. Zwischen ein- bis zweitausend Anleger zeichneten die Beteiligung damals ebenfalls.
Großverdiener wie Milbradt nutzten dabei auch erhebliche Steuer-Vorteile. Er spart Abgaben, indem er die Zinsen, die er auf seinen Fondskredit zahlt, von der Steuer absetzt. Allein 1996 waren das für Milbradts Anteil nach der Prognose des Fonds etwa 18000 Euro. Unter dem Strich hätte der Ministerpräsident 2016 dann aus seiner 53000-Euro-Investition etwa 62000 Euro gemacht. Hinzu kommen jährliche Ausschüttungen.
Die juristische Bewertung
Mit seiner Kreditnahme bei der Landesbank hat Milbradt sich kein illegales Sonderrecht verschafft. Es ist durchaus möglich, dass Gremienmitglieder Kredite bei der eigenen Bank nehmen können. Diese unterliegen der Zustimmung der Aufsichtsorgane – in dem Falle auch seiner eigenen. Im Jahr 1996 betrug das Kreditvolumen von Gremienmitgliedern bei der Landesbank nach Auskunft des Finanzministeriums rund 1,6 Millionen Euro.
Die Moralische Bewertung
Es ist zwar kein Insidergeschäft, aber doch ein Geschäft mit „Geschmäckle“. Und so dürfte auch innerhalb der CDU jetzt die Sorge wachsen, ob ihr Finanzfuchs Milbradt noch andere Privatgeschäfte mit sächsischen Unternehmen getätigt hat, die ihn zumindest moralisch angreifbar machen. Auf SZ-Nachfrage ließ Milbradt gestern dazu ausrichten: Er habe ansonsten keine weiteren Investitionen, Anlagen oder Aktiengeschäfte mit Unternehmen in Sachsen getätigt, an denen der Freistaat beteiligt ist. Und das habe er auch nicht in den vergangenen 15 Jahren getan.
Von Annette Binninger und Ulrich Wolf