Berliner Zeitung, 08.04.2008
SACHSEN: Ein aufrechter Rammbock
Eigentlich hätte es Sachsens CDU nicht schwer mit ihrem kleinen Koalitionspartner SPD. Verhuschte Minister, verheerende Umfragewerte, fehlendes Profil - die Sozialdemokraten in Sachsen könnten ein Regierungspartner sein, der sich locker lenken ließe von den Christdemokraten. Säße da nicht
Karl Nolle auf der Fraktionsbank im Dresdner Landtag, der verbale Rammbock der SPD-Fraktion, gefürchtet von Freund und Feind. Und vor allem von Georg Milbradt, dem sächsischen Ministerpräsidenten.
Wenn der nun über seine privaten Geschäfte mit der kreditkrisengeschüttelten Landesbank stürzen sollte, kann sich Nolle das zugute halten. Er war es, der den Ministerpräsidenten dank jahrelanger Recherchen und durch beharrliches Nachfragen dazu zwang, jetzt vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages seine Mauscheleien einzugestehen.
Seit Milbradts Amtsantritt als Regierungschef 2001 treibt Nolle den CDU-Politiker vor sich her. Ob im Untersuchungsausschuss zur Paunsdorf-Affäre (bei der es eigentlich hauptsächlich um Amigo-Geschäfte von Milbradts Amtsvorgänger Kurt Biedenkopf ging), ob in der Parlamentsdebatte über die kriminellen Netzwerke des Sachsen-Sumpfs oder im Untersuchungsgremium zum Landesbankskandal - Nolle zielt immer auf den Hauptverantwortlichen für all die Miseren, die den Freistaat erschüttern. Und der heißt für ihn Georg Milbradt.
Der 63-jährige Nolle ist ein sozialdemokratisches Urgestein, und er ist ein Linker. Seine Vorfahren bis hin zum Urgroßvater gehörten der SPD an. Nolle selbst trat als 18-Jähriger in die Partei ein, damals war er Elektromechanikerlehrling. Später studierte er Geschichte, gründete 1968 seine erste Druckerei. Da lebte er schon in Hannover, wo er in den siebziger Jahren gemeinsam mit dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Firma gründete.
Am Tag des Mauerfalls kam Nolle nach Dresden und hat die Stadt seitdem nicht mehr verlassen. Seit Oktober 1999 sitzt er für die SPD im Dresdner Landtag, inzwischen ist er der wirtschaftspolitische Sprecher seiner Fraktion. Ihm gehört ein großes Druckhaus in der Landeshauptstadt, er besitzt zudem einen Verlag für Architektur und Philosophie.
Für die sächsische SPD, die trotz ihres blamablen Abschneidens bei der letzten Landtagswahl in der Regierung sitzt, ist Karl Nolle ein Glücksfall. Er schert sich nicht um Koalitionsdisziplin, er greift die Union, die für ihn der natürliche Gegner seiner Partei ist, aus allen Lagen an. Das kommt an bei der mitunter verzagten Parteibasis. Nolle ist für viele Sozialdemokraten in Sachsen der letzte Aufrechte in der ungeliebten Koalition mit der CDU.
Andreas Förster