Sächsische Zeitung, 10.04.2008
Koalitionskrise: CDU setzt SPD Ultimatum bis Dienstag
Die Union versucht mit Drohungen, die SPD in die Koalitionsdisziplin zu zwingen.
Eiszeit in der Regierungskoalition. Nichts mehr geht im rot-schwarzen Zweckbündnis. Seit Tagen gibt es wüste Drohungen, gegenseitige Vorwürfe – gestern nun spitzte die CDU die Situation mit einem harschen Ultimatum an die SPD weiter zu.
Mit einem angespannten Lächeln war CDU-Fraktionschef Fritz Hähle gestern um 13.30 Uhr in den Sitzungsraum der Union geeilt. „Davon gehe ich sicher aus“, rief er noch wartenden Journalisten auf die Frage zu, ob er erwarte, dass die Koalition mit der SPD weiterbestehe. Knapp zweieinhalb Stunden später trat Hähle erneut vor die Tür und verkündete eine ganz andere Botschaft: Bis zum Dienstag müsse sich die SPD entscheiden, wo sie stehe, forderte er die Sozialdemokraten ultimativ auf. Die „Doppelstrategie von Opponieren und Regieren“ werde die Union nicht länger hinnehmen.
Größtes Problem bleibt für die Union der SPD-Abgeordnete
Karl Nolle. Zuletzt hatte er im Untersuchungsausschuss die umstrittenen privaten Anlage-Geschäfte von Regierungschef Georg Milbradt (CDU) aufgedeckt und publik gemacht. „Wir werden künftig nicht mehr unterscheiden zwischen Nolle und dem Rest der SPD-Fraktion und der Partei“, forderte Hähle Vizeministerpräsident Thomas Jurk (SPD) auf, Nolle endlich in die Koalitionsdisziplin zu zwingen. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer assistierte: „Herr Jurk muss seine Truppe in den Griff kriegen.“
Taktisch geschickt hatte die CDU-Spitze damit gestern vom eigentlichen Thema des Tages sowohl in den eigenen Reihen als auch in der Öffentlichkeit abgelenkt: Georg Milbradt und seinen privaten Bank-Geschäften. Getreu der alten Kämpferdevise „Der Feind eint“ wurde der Fall Milbradt kurzerhand zur gemeinschaftsstiftenden Abrechnung mit der SPD umgemünzt.
Milbradt muss sich erklären
So ganz ging die Rechnung aber doch nicht auf. Vor allem in der zunächst einberufenen CDU-Fraktionsvorstandssitzung wiesen mehrere Teilnehmer den Regierungschef darauf hin, dass er persönlich seine finanziellen Transaktionen mit der Landesbank öffentlich erklären solle. „Das musst du schon selber machen“, wird ein Vorstandsmitglied zitiert. Doch dazu sei Milbradt weiterhin nicht bereit, hieß es aus seinem Umfeld. Detailliert erläuterte Milbradt in einem fast einstündigen Vortrag dann allen Fraktionsmitgliedern seine Fonds-Geschäfte mit der Landesbank und verteidigte sie als völlig legal. Jährlich sei dabei nur ein Gewinn von 700 Euro herausgesprungen, so Milbradt.
Äußerst angespannt und nervös war er in die Sitzung gegangen. Doch die befürchteten Attacken der Parteifreunde wegen der Dauer-Negativschlagzeilen des Regierungschefs blieben zumindest gestern aus. Und auch im Blick auf die SPD blieben die Scharfmacher in der Minderzahl: Nur zwei Abgeordnete sprachen sich für ein sofortiges Ende der Koalition aus.
Vertagt wurden dafür alle Personalfragen – vor allem das heikle Thema, mit welchem Spitzenkandidat die Union 2009 in die Landtagswahl ziehen soll. Es bleibe beim bisherigen Zeitplan, so Hähle. Ein Parteitag im Herbst werde darüber entscheiden. „Wir fühlen uns derzeit etwas getrieben, aber wir wollen in aller Ruhe und mit freiem Kopf entscheiden“, sagte Hähle –ein Aufschub, der Ex-Minister Matthias Rößler wie auch andere Fraktionsmitglieder enttäuschte. Rößler verließ den Sitzungssaal am Ende mit einem gequetschten Lächeln. „Ich bin überglücklich“, meinte er zynisch.
Die SPD zieht dagegen ihre eigenen Schlüsse daraus, dass Milbradt seine Fraktionssitzung nahezu ohne Blessuren überstanden hat. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die CDU Sachsen heute ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2009 bestimmt hat“, teilte SPD-Chef Jurk knapp mit. Die Linkspartei feixte unterdessen über den neuerlichen Scherbenhaufen der „Chaos-Koalition“. Die SPD sei nun am Zuge, sie zu beenden, forderte Linksfraktionschef André Hahn. Sonst drohe sie, unglaubwürdig zu werden.
Gespannt wird nun erwartet, wie sich die SPD nächste Woche verhält. Dann steht nicht nur eine Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Landesbank an, sondern auch eine Debatte im Landtag über die Bank-Geschäfte Milbradts.
von Annette Binninger