DNN/LVZ, 15.04.2008
Jäger mit Aufklärungsdrang
Seit Jahren sucht SPD-Mann Karl Nolle aktiv nach Affären des CDU-Spitzenpersonals
Dresden. Er gilt als der große Jäger in den Reihen der sächsischen Politik: Seit Jahren profiliert sich der schwergewichtige SPD-Abgeordnete
Karl Nolle mit dem Aufdecken von Polit-Affären aller Art, und geht damit vor allem der regierenden CDU auf die Nerven. Jetzt könne sich Nolle „einen weiteren Skalp anheften“, heißt es sarkastisch in CDU-Kreisen. Regierungschef Georg Milbradt (CDU) ist von ihm so lange attackiert worden – bis er gehen musste.
Dabei steht außer Frage, dass kein Politiker einer anderen Fraktion im Alleingang einen Ministerpräsidenten sturmreif schießen kann, das muss schon die eigene Partei besorgen, im Falle Milbradts die CDU. Dennoch ist der Regierungschef nicht der erste Spitzenpolitiker, dessen unfreiwilligen Abtritt Nolle „begleitet“ hat – noch nicht einmal der erste Ministerpräsident.
So war der Druckereibesitzer aus Dresden mit dem SPD-Parteibuch bereits in den Jahren 2001/2002 aktiv, als Milbradt-Vorgänger Kurt Biedenkopf (CDU) in der Kritik stand. Aber auch da hatte Nolle Zuträger von Gewicht. CDU-Leute waren es, die ihn mit brisantem Material zu Biko fütterten, zum Gästehaus in der Schevenstraße zum Beispiel. Und die Tatsache, dass Milbradt angetreten war, um Biedenkopf zu beerben, wusste Nolle ebenfalls für sich zu nutzen. Ähnlich war es beim Rücktritt von Ex-Sozialministerin Christiane Weber (CDU). Die fiel 2003 über eine Flutgeld-Affäre – aufgedeckt natürlich von Nolle. Doch auch hier waren erneut CDU-Politiker die Stichwort- und Info-Geber für den damals noch Oppositionellen.
Mit dem Beginn der schwarz-roten Koalition 2004 allerdings wurde es etwas stiller um Nolle. Von einer „Sinnkrise des CDU-Jägers“ war in SPD-Kreisen die Rede, und das, obwohl Nolle vehement weiter grub. So hatte er sich die SachsenLB vorgenommen mit all ihren unschönen Verwicklungen wie Mätressen-Wirtschaft, Anhängerkupplungen und gefälschten Dokumenten. Letztlich ging es ihm aber auch dabei um den, den er als Drahtzieher vermutete: Milbradt persönlich.
So war Nolle auch gut informiert, als die Landesbank im Sommer vergangenen Jahres im Zuge der weltweiten Finanzkrise in die akute Notlage geriet. Natürlich wusste er früher als andere, dass die SachsenLB-Tochter in Dublin hochriskante Geschäfte betrieb; und ebenso war er im Bilde, als Journalisten das Privatumfeld des Ministerpräsidenten beäugten – und beim Thema Kreditgeschäfte mit der Landesbank fündig wurden.
Damit hat sich Nolle nicht nur Freunde gemacht. Vielen in der CDU ist er ein Dorn im Auge, obwohl sie sich zuweilen seiner bedienen, einige fürchten ihn auch. Und selbst manchem Sozialdemokraten ist sein brachialer Aufklärungsimpuls suspekt, mindestens das. Nolle selbst stört das wenig, er genießt lieber den Blick auf die Wellen, die er mit seinen Erschütterungen bundesweit auslöst. Er spielt gern die Rolle, die er am besten beherrscht: die des schärfsten Oppositionellen – auch dann, wenn die SPD mit auf der Regierungsbank sitzt. Jürgen Kochinke