Freie Presse Chemnitz, 02.04.2008
Ministerpräsident Milbradt ringt im Zeugenstand des Untersuchungsausschusses um Beherrschung
SPD-Vertreter als Speerspitze der Opposition
Dresden. Irgendwann beginnen sich die Fragen im Kreis zu drehen, und Georg Milbradt (CDU) droht die Beherrschung zu verlieren. „Ich habe das alles schon beantwortet", herrscht er Andreas Schmalfuß (FDP) an. „Dann will ich es noch einmal hören", kontert der.
Es ist Tag zwei der Befragung des Ministerpräsidenten im Untersuchungsausschuss zur Affäre der Sächsischen Landesbank. Der Zeitvorrat ist groß, die Substanz der Angriffe wird immer geringer. Aber so schnell kommt diese Chance nicht wieder. Im politischen Schaulaufen sorgen Untersuchungsausschüsse für Augenhöhe mit dem Regierenden. Keine Partei scheint diese Profilierung so zu genießen wie die SPD. Ausgerechnet Milbradts Koalitionspartner stellt die Speerspitze der Angriffe, vertreten durch
Karl Nolle und Mario Pecher. Es sind Milbradts Intimfeinde, die aggressiv nachsetzen, die spitz formulieren und penibel Widersprüche in der Argumentationskette suchen.
Was wusste Milbradt wirklich?
Pecher geht es um die Übernahme der Staatsbürgschaft für den Problemfonds Ormond Quay und um Milbradts mögliche Mitwisserschaft über das später eskalierende Risiko. Er könne nicht so tun, von dem sich anbahnenden Fiasko nichts gewusst zu haben. Diese Botschaft an Milbradt bekräftigt Nolle mit dem Hinweis auf fünf Briefe an den Finanzminister. Darin habe er vor dem großen Rad gewarnt, das in Dublin gedreht werde. Vom damaligen Ressortchef Horst Metz habe er nur ein Jobangebot erhalten. Dann sei ein Brief am 27. Februar 2005 an den Ministerpräsidenten gefolgt. Warum habe er nicht geantwortet, will Nolle von Milbradt wissen. Er sei den Fragen nachgegangen, antwortet dieser. Doch das Ergebnis habe im Sommer 2005 gelautet: „Es gibt keine Risiken in Dublin".
Inzwischen hat sich Andre Hahn, Fraktionschef der Linken, in das Verhör eingeschaltet. Auch er unterstellt Milbradt Wissen, das dieser von sich weist. „Sie, Herr Hahn, haben im Haushaltsausschuss die gleichen Informationen gehabt", dreht er den Spieß um. Auch Hahns Nachbohren zu emailKontakten zwischen einem hochrangigen Mitarbeiter der Landesbank und Milbradts Büro bringt nicht weiter. Natürlich habe er in einzelnen Fällen Detailwissen gehabt, räumt Milbradt ein. „Das bedeutet nicht, umfassend informiert gewesen zu sein", stellt er klar.
Ärger in der CDU über die SPD
Zwischenzeitlich geht es hitzig zu im sechsten Stock des Landtages. Die CDU-Vertreter haben die Geduld mit Nolle und Pecher verloren. „Wer solche Koalitionspartner hat, braucht keine Feinde mehr"; giftet Ausschussobmann Günther Schneider. Die SPD interessiere sich nicht für Fakten, sondern wolle ein Tribunal veranstalten. An Nolle träufeln solche Attacken ab. „Ich liebe die Koalition, nicht aber den Ministerpräsidenten", kontert er grinsend.
Äußerlich ungerührt, ja wie in seinen Stuhl gemeißelt, sitzt Milbradt im flauer werdenden Sturm von Fragen. Wenn es brenzlig werden könnte, zitiert er aus seiner Vorlesung vom Vortag. Das dient als Beweis, weniger gewusst zu haben als Bankvorstände und Profis aus dem Kreditgewerbe, die sie kontrolliert haben. „Sie sollten alle fragen", wiederholt Milbradt seine Aufforderung an die Opposition. An diesem Tage will sie ihm nicht folgen. Es ist ihre vorerst letzte Chance, den vermeintlich politischen Verantwortlichen zur Strecke zu bringen.
Hubert Kemper