Freie Presse Chemnitz, 01.04.2008
Sagurna beriet Mibradts Rivalen
Nolles Fundstück „verblüfft" Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss – Regierungschef weist Verantwortung von sich
Dresden. Rund zweieinhalb Stunden benötigte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), um dem Untersuchungsausschuss sein 67 Seiten umfassendes Manuskript vorzutragen. Für den Inhalt zeigte
Karl Nolle nur verhaltenes Interesse. Lieber tuschelte der SPD-Abgeordnete auf den Landtagsfluren und stachelte die Neugierde der Medienvertreter an. „Ich habe nur zwei Fragen", verriet er ahnungsvoll, „dann bricht hier das Tohuwabohu aus."
Am späten Nachmittag war es dann soweit. Nolle präsentierte dem konsternierten Milbradt einen Beratervertrag, der dessen Staatskanzleichef Michael Sagurna als Berater von Ludwig Hausmacher ausweist — jenem inzwischen durch Freitod verstorbenen Mitinhaber der früheren Sachsen-LB-Tochter MDL, der gegen die Landesbank und Milbradt einen erbitterten Rechtsstreit geführt hatte. Sagurna, der damals Inhaber einer Medienagentur war, erhielt dafür ab November 2004 ein
Honorar von 1000 Euro monatlich.
Mit dem eigentlichen Thema des Ausschusses, Milbradts möglicher Mitverantwortung für die desaströse Schieflage der Landesbank, hatte das nichts zu tun. Nolles Enthüllung war aber ein Stich in das sensible Vertrauensverhältnis Milbradts zu Sagurna, der mehr als zehn Jahre als Regierungssprecher dem früheren Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) gedient hatte.
"Sachsen-LB keine Zockerbude"
Im Herbst 2007, auf dem Höhepunkt der Sachsen-LB-Affäre, hatte Milbradt den Medienprofi in die Schlüsselfunktion der Staatskanzlei zurückgeholt. „Sagurna hat mir gesagt, dass er für Hausbacher gearbeitet hat", schob er nach, als er die Fassung wiedergefunden hatte. Bisher galt Biedenkopfs Schwiegersohn Andreas Waldow als Stratege jener Pressekampagne, mit der Hausbacher Unregelmäßigkeiten bei der Sachsen-LB publik gemacht und den Preis für seinen Anteil an der Mitteldeutschen Leasing (MDL) in die Höhe getrieben hatte.
Bevor Nolle seine Bombe zündete, unter Protest des Ausschussvorsitzenden den Saal verließ und sich im Scheinwerferlicht von einem Dutzend Kamerateams sonnte, hatte Milbradt seinen Auftritt routiniert gemeistert. In seinem langen
Ausflug in die Gründungsgeschichte der Sachsen-LB widersprach er der Vorstellung, diese sei „sein Kind" gewesen. „Sie war nicht einmal mein Wunschkind'" sagte er. „Vater der Bank war das Parlament", denn der Sächsische Landtag habe im Dezember 1991 mit den Stimmen aus allen Fraktionen die Gründung der Bank beschlossen.
Auch gegen den Vorwurf, die Sachsen-LB sei eine „Zockerbude" gewesen, verwahrte sich Milbradt. Ohne eine eigene Landesbank wäre der Aufbau Sachsens mit der Realisierung großer industrieller Ansiedlungen nicht so zügig vorangekommen. Sein eigenes Verhältnis zur Bank sei stets auf Risikobegrenzung und Maßhalten ausgerichtet gewesen, betonte der Regierungschef. Zu seiner Zeit, und gemeint ist die Zeit als Finanzminister bis Februar 2001, habe sich diese Strategie ausgezahlt.
Plädoyer für Kontrolle
Mit der Gründung der irischen Tochter Sachsen-LB Europe sei kein Strategiewechsel verbunden gewesen, sagte Milbradt. Steuervorteile und das internationale Umfeld hätten diesen Schritt erklärt. Doch sollte das Risiko der Geschäfte und damit die Dubliner Tochter von Leipzig aus kontrollierbar bleiben. Auch die ihm von der Opposition zugeschriebene Rolle, ,,geistiger Vater" einer Neuausrichtung der Bank und damit für die spätere Schieflage verantwortlich zu sein, wies er zurück.
Die richtige Adresse sei der Vorstand, „der in einer Stresssituation offenbar überfordert" gewesen sei. Er selbst habe seit 2001 nicht mehr den Gremien der Landesbank angehört, wiederholte Milbradt. Ebenso wenig habe er die Rechtsaufsicht über die Sachsen-LB gehabt. Wenn selbst die Bankenaufsicht das Ergebnis externer Prüfungen für glaubwürdig hielt, wie könne die Staatsregierung „bösgläubiger" sein, ohne bessere Informationen zu haben.
Die Opposition nahm diese Meinung zur Kenntnis, ebenso Milbradts Beschreibung seiner Schadensbegrenzung. Der Zustand der Bank habe ihn erschüttert, sagte er, als er im August von der Schieflage erfuhr. Ätzende Kommentare blieben ihm dennoch nicht erspart. „Mehr als eine Milliarde Euro sind schon verbrannt worden, aber die Politik hat damit nichts zu tun", meinte Klaus Tischendorf (Grüne). „Chefaufklärer" Nolle hatte sich wieder am gründlichsten vorbereitet. „Professor Hase hat eine interessante Vorlesung gehalten, aber nichts Neues berichtet." Allerdings hörte Nolle nur streckenweise zu.
von Hubert Kemper