Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 11.06.2008

Reinhardtsdorfer Biedermänner

In der Sächsischen-Schweiz-Gemeinde wählte jeder Vierte die NPD / Bürgermeister gibt nicht auf
 
Reinhardtsdorf-Schöna. Es ist der Tag zwei nach der Wahl. Am Imbissstand „Zum Dorfborn“ schaufelt Helmut einen Graben für neue Leitungen. Der Freisitz soll erweitert werden. „Meine Meinung zur Wahl? – Kein Kommentar. Ihr Journalisten könnt uns sowieso gestohlen bleiben.“ Fritz, ein Rentner tritt hinzu. Er lässt ein bisschen mehr gucken. Frust ist’s, keine Frage. Die da oben haben ihren Laden nicht im Griff. Im Imbiss bereitet Karin ein preiswertes Frühstück, Rührei mit Schinken, einen Pott Kaffee, dazu Orangensaft. Alles für sechs Euro.

An der Pfanne stehend schwärmt sie von ihrem Dorf, tolle Gegend, viele Vereine, ein Jugendklub, ein Freibad, sie wisse gar nicht, was die Leute nur haben.
Das Trio der Befragten will sich nicht öffnen – „keine vollen Namen, schon gar kein Foto“. So ist das in diesen Tagen ganz weit hinten in der Sächsischen Schweiz. Reinhardtsdorf-Schöna macht wieder mal bundesweit Schlagzeilen, weil die NPD bei der Landrats- und Kreistagswahl sachsenweit ihr bisher bestes Resultat einfuhr.

Olaf Ehrlich (39), Bürgermeister ehrenhalber der Freien Wählergemeinschaft, hoffte, auf so eine fragwürdige Popularität verzichten zu können, sah aber schon beim Auszählen – die Wahlbeteiligung lag bei 56 Prozent – den Schlamassel auf sich und sein Dorf zukommen. „Hochgeschnippst von 23,1 auf 25,2 Prozent“, kommentiert er den NPD-Erfolg gegenüber der letzten Wahl. Besser schnitten lediglich seine Freien Wähler mit 26,8 Prozent ab, schlechter weg kamen CDU (21,7), Linke (15,6), FDP (4,2), SPD (3,7) und Grüne (2,8). „Unglaublich“, sagt Ehrlich, „und das, obwohl die NPD mit keinem Programm für die Kreistagswahl und mit einem aus dem tiefen Westen importierten Landratskandidaten, der sich nicht mal mit einer Rede vorgestellt hatte, angetreten war.“

Ehrlichs Frust ist zu verstehen – Frust über die etablierten demokratischen Parteien, die seiner Meinung nach kein Rezept haben, um dem Treiben der NPD Einhalt zu gebieten. Im Landtag, wenn die Nazis mit plumpen Reden auftreten und sogar eine Waffe mit ins Haus schmuggeln wollen, sei es doch ziemlich leicht, sich gegen sie zu stellen. Im weiten Land aber, wo die Rechtsextremen ganz bewusst nur mit Themen daherkommen, die mit der Kommunalpolitik nichts zu tun haben, stoßen die lokalen Demokraten an ihre Grenzen.

In Reinhardtsdorf krakeelen die Nazis nicht laut herum, hier marschieren sie auch nicht auf, hier leben sie als Biedermänner inmitten schöner Natur. Ehrlich fordert die Volksparteien nachdrücklich dazu auf, endlich die Themen zu besetzen, mit denen die NPD die Wähler fängt. Er nennt als Beispiel den Slogan „Arbeit muss sich lohnen“: „Was sag’ ich denn meinen Handwerkern, die jede Woche bis nach München oder Stuttgart fahren, aber im Endeffekt auch nicht mehr in der Tasche haben als diejenigen, die von der Stütze leben und den lieben Gott einen frommen Mann sein lassen?“

Reinhardtsdorf hat 1600 Einwohner. Jeder Vierte wählte die NPD. Noch will Ehrlich, unter dessen Ägide auch die erst kürzlich mit einer Auszeichnung bedachte Bürgerinitiative „Demokratie anstiften“ gegründet wurde, nicht aufgeben. Sollte es aber bei der nächsten Landtagswahl mit der NPD noch weiter nach oben gehen, könne er sich schon vorstellen, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Enttäuscht von seinen Dorfbewohnern ist der Gastwirt und Vater von drei Kindern schon heute: „Das musst du dir mal vorstellen: Wenn du am Sonnabendfrüh beim Bäcker nach frischen Brötchen anstehst, kannst du in der Reihe der Wartenden mit absoluter Sicherheit einige NPD-Sympathisanten finden ...“

Auch für Monika Hauck, Chefin des Tourismusbüros, läuft dieses Jahr nicht wie gewünscht. Da lag Ostern zu früh, um die Gäste anzulocken, da fielen der 1. Mai und Himmelfahrt auf einen Tag, da findet der Sommer schon statt, obwohl noch keine Ferien sind. Und dann noch dieses Wahldesaster. Die Gemeinde wird trotzdem nicht müde, für sich zu werben. Abseits vom Tourismusrummel bietet Reinhardtsdorf-Schöna schließlich viel – vor allem Ruhe. Der „Malerweg“, ob seiner romantischen Blicke so benannt und 2007 als schönste Wanderroute Deutschlands gekürt, führt durch den Ort, und die Dorfkirche aus dem 17. Jahrhundert ist mit ihren Bildwerken ein Schmuckstück sächsisch-bäuerlicher Kunst der Barockzeit.

Schöne deutsche Heimat halt. Im Tante-Emma-Laden gibt eine Verkäuferin zu: „Eigentlich schämen wir uns.“

www.reinhardtsdorf-schoena.de

Von THOMAS MAYER

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: