Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 14.06.2008

„Die CDU muss ihr Verhältnis zur Linkspartei klären“

Nach dem Eklat bei der Bürgermeisterwahl im Chemnitzer Stadtrat übt Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) heftige Kritik an der CDU.
 
Frau Ludwig, warum regt sich die SPD über die neue Allianz zwischen CDU und Linkspartei in Chemnitz auf?

Auf kommunaler Ebene, und das gilt insbesondere für Chemnitz, ist eine sachliche Arbeit üblich. Ich finde es richtig, dass wir auch mit den Linken im Stadtrat sachorientiert zusammenarbeiten. Sie wurden schließlich von der Bürgerschaft gewählt und stellen die größte Fraktion. Was wir jetzt bei den Bürgermeisterwahlen erlebt haben, ist nicht der Normalzustand.

Was ist daran nicht normal?

Es ist sicher nicht normal, dass sich die CDU auf Bundesebene hinstellt und darüber moralisiert, dass die SPD in den Ländern mit den Linken zusammenarbeiten könnte und ihr unterstellt, dies auch auf Bundesebene zu tun. Als SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan sagte, sie werbe um alle Stimmen, auch um die der Linkspartei, hat die CDU hysterisch aufgeschrien. Wenn es aber um die eigenen Posten geht, schmiedet sie, ohne mit der Wimper zu zucken – einige zucken immerhin noch –, selbst ein Bündnis mit der Linkspartei. Gleichzeitig wird der SPD vorgeworfen, sie müsste ihr Verhältnis zur Linkspartei klären. Ich finde, das sollte die CDU zuerst selbst tun, statt permanent mit dem Finger auf die SPD zu zeigen. Entweder die Linkspartei ist aus ihrer Sicht eine Partei wie jede andere, oder sie ist es nicht. Dieses Verhalten bedarf dringend einer Klärung. Das zeigt auch die Reaktion innerhalb des Chemnitzer CDU-Kreisverbandes.

CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten die Wahl des Linkspartei-Kandidaten zum Rechtsdezernenten zu verantworten. Wie sehen Sie das?

Das ist eine kühne Behauptung. Die Wahl ist am Ende eine Wahl der Mehrheit im Stadtrat. Ich habe dort eine Stimme. Und die beiden stärksten Fraktionen, CDU und Linkspartei, haben die Mehrheit. Die Stimmenzahl war bei allen drei gewählten Kandidaten ähnlich groß. Es war auf den Fluren vor und nach der Wahl deutlich zu hören, dass die Beteiligten dieses Bündnis aus Linkspartei und CDU zum Teil mit großem Stolz und zum Teil mit großer Bitternis eingegangen sind.

Warum ist vor der Wahl der Bürgermeister keine Absprache zwischen der SPD und der CDU zustande gekommen?

Ich habe mit allen Fraktionsvorsitzenden besprochen, dass es in diesem Prozess um die Auswahl der qualifiziertesten Bewerber geht. Deshalb habe ich dem Stadtrat zwei Monate Zeit gegeben, sich auf die Wahl vorzubereiten, die Bewerbungsunterlagen zu studieren und sich die Kandidaten einzuladen. Ich war dann schon erstaunt, dass CDU und Linkspartei keinen Bedarf hatten, die zum großen Teil unbekannten Bewerber – noch dazu für ein neues Dezernat – überhaupt anzuhören. Für die demokratische Kultur ist das sehr bedauerlich. Ich akzeptiere das Wahlergebnis, aber die mangelnde Transparenz nicht. Im Übrigen ist es auch für Herrn Runkel (der neue Rechtsdezernent, d.R.) schade, dass ihm die Chance genommen wurde, sich und seine Ideen vorzustellen.

Ist diese neue Allianz zwischen Linken und CDU eine Art Betriebsunfall oder ging es in erster Linie darum, dass die CDU ihre beiden Bürgermeisterposten um jeden Preis retten wollte?

Ich denke, es spielt sicher eine Rolle, dass die beiden CDU-Amtsinhaber bleiben sollten. Aber um einen Einzelfall handelt es sich hier nicht. Wenn man nach Zwickau schaut, findet man ähnliche Beispiele. Auch in Dresden muss man abwarten. In kleineren Gemeinden gibt es ebenfalls Bündnisse zwischen CDU und Linken. Aber darum geht es nicht in erster Linie: Wenn die CDU das für sich zur Normalität erklärt, ist das in Ordnung. Aber dann muss sie das auch so sagen.

Wie wird sich nach diesem Eklat die Zusammenarbeit im Stadtrat in Chemnitz entwickeln?

Dem Stadtratsmitglied Christoph Paus, der aus der CDU-Fraktion ausgetreten ist, gebührt Respekt. Seine Fraktion hat ihn in dem Glauben gelassen, es gebe keine Absprachen mit der Linkspartei. Dabei haben CDU und Linkspartei schon gemeinsam dagegen gestimmt, dass zumindest die Wahl des Rechtsdezernenten noch einmal verschoben wird. Der CDU-Kreisverband ist schon seit Jahren sehr mit sich selbst beschäftigt. Mein Ziel ist, dass die sachliche Arbeit im Stadtrat und in seinen Ausschüssen fortgesetzt werden kann.

Gespräch: Karin Schlottmann

Karl Nolle im Webseitentest
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