Sächsische Zeitung, 27.06.2008
Zu teuer: Dresdner Firma kündigt 43 Azubis
Von Bettina Klemm
Im August wollten 43 neue Lehrlinge ihre Ausbildung bei der Firma Saxoprint beginnen. Doch jetzt hat ihnen das Unternehmen die vor Monaten abgeschlossenen Berufsausbildungsverträge mit sofortiger Wirkung gekündigt. Die Industrie- und Handelskammer Dresden sei nicht bereit, die Ausbildung einzutragen, heißt es in dem Schreiben. Das wiederum bilde jedoch die Voraussetzung, um später die Prüfungen ablegen und damit einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung sichern zu können. Die IHK begründet die Ablehnung mit der „fehlenden Angemessenheit der Ausbildungsvergütung“.
Geduld am Ende
„Wir diskutieren seit 1997 mit der Firma über das Problem“, erläutert Werner Mankel, Geschäftsführer Bildung, den Standpunkt der IHK. Bisher seien die Verträge immer nur unter Vorbehalt eingetragen worden, mit der Maßgabe, die Vergütung anzupassen. Dass mit dem Gesetzesverstoß nun Schluss ist, habe das Unternehmen mindestens seit Januar gewusst. „Im Mai haben wir die Verträge zurückgewiesen“, sagt Mankel. Laut Tarif stünde den Lehrlingen im ersten Lehrjahr eine Vergütung von 816 Euro im Monat zu. 20 Prozent weniger werden als gesetzeskonform anerkannt, das wären 652,80 Euro. Saxoprint will allerdings nur 400 Euro zahlen. Auszubildende hätten selbst dann einen Anspruch auf die angemessene Vergütung, wenn sie ausdrücklich darauf verzichten, so steht es in diversen Gerichtsurteilen.
Die Schulabgänger allerdings haben für die Haltung der IHK kein Verständnis. „Ich wäre mit 400 Euro einverstanden. Jetzt muss ich wieder auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz gehen“, sagt der 16-jährige Markus Mai. Enttäuscht sind auch Robert und Florian, sie wollen lieber eine Ausbildung als mehr Geld. „Mein Sohn hat im März den Vertrag unterschrieben und ist nun total am Boden zerstört. Das Gesetz vernichtet Lehrstellen. 43 junge Leute hängen in der Luft, da muss es doch eine Lösung geben“, sagt Florians Vater Christoph Elsweier.
Die Saxoprint GmbH entwickelt sich rasant. Allein im vergangenen Jahr hat sie zehn Millionen Euro investiert. „Wir setzen auf unseren eigenen Nachwuchs“, sagt Geschäftsführer Thomas Bohn. So sollten in diesem Jahr besonders viele neue Lehrstellen geschaffen werden. Die Verträge seien analog zu denen der Vorjahre gestaltet worden. Auch ein Ausbildungsleiter wurde extra eingestellt. Bohn kann die Haltung der IHK nicht verstehen. „Das treibt noch mehr junge Leute in den Westen“, sagt er.
Sein Controlling-Chef Frank Schenk hält die von seinem Unternehmen angebotenen und vereinbarten Vergütungen für die Azubis für ortsüblich, zumal noch verschiedene Zuschläge hinzukommen könnten. Die vom Gesetzgeber geforderten Sätze seien völlig überzogen und nicht bezahlbar. So sei nicht einzusehen, warum ein Friseurlehrling nur ein Viertel dessen in der Tasche hat, was ein Druckerlehrling bekommt.
Offensichtlich ist Saxoprint jedoch eine Ausnahme in der Branche. Aus dem Vorstand des Arbeitgeberverbandes Druck und Medien hieß es gestern: Die Mitglieder unseres Verbandes hielten sich bei Abschluss von Ausbildungsverträgen grundsätzlich an die inzwischen verbindlich ab Herbst 2008 von den IHKs geforderte Angemessenheit der Ausbildungsvergütung, die auf höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht. Sittenwidrige Löhne und/oder Ausbildungsvergütungen, die leider bei manchen Unternehmen zum Geschäftsprinzip gehören, lehne der Verband ab.
Sittenwidrige Verträge
In dieser Fragen scheinen sich Arbeitgeber und Gewerkschafter ausnahmsweise einig zu sein. So findet es Dresdens Gewerkschaftschef Ralf Hron sehr gut, dass die Kammer endlich ihrer Pflicht nachkomme. „Unter 20 Prozent ist sittenwidrig, es geht um eine qualitativ hochwertige Ausbildung. Die Zeit der Dumpingvergütungen, nur um Ausbildungsplätze zu haben, sollte endlich vorbei sein.“
Nun müsse es darum gehen, für die jungen Leute noch einen Ausbildungsplatz zu finden, sagt IHK-Geschäftsführer Werner Mankel. Die Vertragskündigung habe sich in der Branche in Windeseile herumgesprochen. Bisher seien ihm zehn zusätzliche Lehrstellen angeboten worden.