DER SPIEGEL 28/2008, Seite 80, 06.07.2008
Casino provincial - Das Milliardendesaster der Sächsischen Landesbank ...
... Lehrstück über die Selbstüberschätzung und Inkompetenz von Bankern und Politikern.
Das Milliardendesaster der Sächsischen Landesbank ist ein Lehrstück über die Selbstüberschätzung und Inkompetenz von Bankern und Politikern. Es dokumentiert die Unfähigkeit der Kontrollorgane, den Wildwuchs des globalen Finanzsystems zu durchschauen.
Vielleicht hätten die sächsischen Volksvertreter einen etwas weniger symbolbeladenen Ort wählen sollen, um ihre Landesbank zu gründen. Zumindest wäre ihnen eine Menge Hohn und Spott erspart geblieben.
An jenem regnerischen 19. Dezember 1991 traten die Abgeordneten in der Dresdner Dreikönigskirche zusammen. Das Gotteshaus, das damals als Ersatzparlament diente, war gerade um eine Attraktion reicher geworden. Unterhalb der Orgelempore prangte nun ein weltberühmtes Relief aus der Renaissance: der Dresdner Totentanz. Auf zwölf Meter Länge drehen sich drei Sensenmänner in Sandstein und warnen: "Der Kaiser folget mir samt allen Potentaten". Das Kunstwerk mahnt an die Vergänglichkeit des Seins.
Doch für weise Mahnungen hatten die Politiker im Jahr zwei nach der Wende keine Muße. 13 Entwürfe mussten in dieser 33. Sitzung durchgepaukt werden, zügig legten sie los. Sie berieten das Gesetz zum Blindengeld. Sie diskutierten das Gesetz über das Zahlenlotto. Und dann, als Punkt elf der Tagesordnung, beschlossen sie den Entwurf des Gesetzes zur Errichtung der Landesbank Sachsen, mit nur drei Gegenstimmen.
Niemand ahnte, dass damit der Grundstein zu einer Art Provinzcasino gelegt wurde, in dem Milliarden verzockt werden sollten.
16 Jahre später hat sich der Sinnspruch vom Dresdner Totentanz erfüllt: Der Kaiser ist weg und alle seine Potentaten. Der sächsische Ministerpräsident, sein Finanzminister und der gesamte Bankvorstand mussten gehen. Die Sachsen LB (SLB) versank in einem gewaltigen Strudel aus falschem Stolz und echter Gier, aus Lügen, Skandalen, Betrug, Vetternwirtschaft und einer gehörigen Portion Unfähigkeit.
Und doch ist der Niedergang des Geldhauses mehr als nur ein Lehrstück über Selbstüberschätzung und Inkompetenz von Provinzbankern und Politikern. Er ist ein Beispiel für die Anarchie, die sich im internationalen Finanzsystem breitgemacht hat - und ein erschütterndes Exempel für die Unfähigkeit der Kontrollorgane, den Wildwuchs auch nur ansatzweise zu durchschauen.
Das Puzzle aus Bankunterlagen, Revisionsexpertisen, Kreditberichten, Wirtschaftsprüfungen und Aussagen ergibt ein trostloses Bild des Versagens sämtlicher Sicherungsnetze. Alle scheinen den größten anzunehmenden Konstruktionsfehler der Sachsen LB glatt übersehen zu haben: die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Bundesbank, die Wirtschaftsprüfer und der Verwaltungsrat.
Nahezu ungehindert drehte die Novizenbank aus Ostdeutschland ein Rad wie sonst nur die Merrill Lynchs und Morgan Stanleys. Zuletzt blieb die Sachsen LB auf komplexen Kreditpapieren im Umfang von atemberaubenden 39 Milliarden Euro sitzen - bei nur 1,4 Milliarden Eigenkapital. Zum Vergleich: Der gesamte Landeshaushalt des Freistaats beträgt 16 Milliarden Euro.
Durch die Fehlspekulationen haben die sächsischen Steuerzahler nicht nur ihre Bank verloren, zu einem Spottpreis von 328 Millionen Euro. Sie mussten dem Käufer, der Landesbank Baden-Württemberg, auch noch eine Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro zusichern.
Wer letztendlich schuld ist an dem Desaster? Das werden Gerichte klären müssen. Die Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Vorstände. Der Dresdner Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB will Vertreter der BaFin und der Bundesbank gerichtlich zur Aussage zwingen, wie Ausschussmitglied
Karl Nolle (SPD) bestätigt. Besonders unangenehm könnte das Nachspiel für die Buchprüfer werden. Im Auftrag von Sachsens Finanzministerium eruiert eine Kanzlei "Schadenersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfer", so ein Sprecher des Ministeriums.
Von Anfang an ruhte kein Segen auf der Bank. Genau genommen hatte sie schon Schieflage, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Denn dem Geldhaus fehlte jede Geschäftsgrundlage. Wie jede Landesbank hatte auch die SLB den strukturpolitischen Auftrag, durch die Finanzierung von Großprojekten zur Wirtschaftsentwicklung beizutragen. Doch das kleine Bundesland hatte nicht genügend Potential, es fehlte schlicht an Großunternehmungen. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf jedoch wischte alle Bedenken beiseite.
Der CDU-Mann aus dem Westen wollte es allen zeigen. Ewig hat er im Schatten des übermächtigen Kanzlers Helmut Kohl gestanden. Nun endlich, als Alleinherrscher über Sachsen, konnte er frei walten. König Kurt gab den Sachsen das Gefühl, nach 40 Jahren Mangelwirtschaft wieder eine erste Geige spielen zu können im Konzert der 16 Bundesländer. Da wollte man beim Aufbau der blühenden Landschaften keinesfalls auf die Gnade westlicher Kreditbanken angewiesen sein.
Zunächst versuchte Biedenkopf, die anderen Ost-Bundesländer zu einem gemeinsamen Bankhaus zu überreden. Als die sich für West-Partner entschieden, ging Sachsen seinen Weg trotzig allein.
Seit an Seit mit Biedenkopf marschierte der damalige Finanzminister Georg Milbradt. Eine Staatsbank sei ein "wichtiger Baustein für die weitere wirtschaftliche Entwicklung", warb der Volkswirt und geriet ins Schwärmen: "Der Sitz der Bank soll in Leipzig sein, weil dort die besten Chancen gegeben sind, ein ostdeutsches Bankenzentrum neben Berlin zu etablieren."
Ein ostdeutsches Bankenzentrum! Da wehte ein Hauch von Wall Street an der Pleiße, drunter ging es nicht im Sachsen jener Jahre.
Am 1. Januar 1992 nahm die Sachsen LB die Arbeit auf. Sie gehörte zu je 37,45 Prozent dem Freistaat und den Sparkassen, 25,1 Prozent hielt die Südwest LB (heute LBBW). Und weil bei einer Landesbank der Steuerzahler haftet, betonte Milbradt bei der Gründung: "Die Bank wird keine besonderen Risiken übernehmen."
So kann man sich irren.
Im Juli 1992 beriefen die Anteilseigner Michael Weiss zum Vorstandschef. Ähnlich wie Biedenkopf genoss der Banker, der zwölf Jahre bei der WestLB gedient hatte, seine Macht. Gern soll er seine Mitvorstände daran erinnert haben, dass er über ihre Verträge entscheiden könne. Als "rechthaberisch" und "dominant" charakterisierte ihn einer von ihnen vor dem sächsischen Untersuchungsausschuss.
Weiss verbreitete im Laufe der Jahre ein Klima der Angst. Jahre später, als das Institut immer noch mehr Risiko anhäufte, sollte dieses Klima dazu beitragen, dass niemand seine Zweifel zu äußern wagte. "Das Problem unserer Landesbank ist, dass die verantwortlichen Manager keinen Arsch in der Hose haben", entfuhr es im Untersuchungsausschuss dem SPD-Abgeordneten
Karl Nolle.
Turbulent ging es zu in den 13 Jahren, in denen Weiss die Bank leitete. Immer wieder musste das Haus Geschäfte im zweistelligen Millionenbereich wertberichtigen. Etwa im Fall der Erb-Gruppe, die 2003 zusammenbrach (45,9 Millionen Wertberichtigung). Oder dem der Kinowelt Medien AG, des Lippetor Einkaufszentrums, der Landsberger Arkaden in Berlin. Die Liste ist lang, denn in Ermangelung eines lohnenden Heimatgeschäfts griffen die Sachsen auch nach riskanten Chancen.
Das Spektakel rund um Weiss und sein Geldhaus gipfelte schließlich in einer unsäglichen Streiterei um eine Leasinggesellschaft. Die Affäre hatte alles: Weiss' Geliebte, die eine steile Karriere im Bankkonzern hinlegte; Vorstände, die Interna an Journalisten lancieren wollten; erbitterte Kämpfe um Posten und Macht. Als eine rückdatierte aktienrechtliche Pflichtmitteilung der Sachsen LB auftauchte, musste Weiss im Februar 2005 gehen, samt Freundin und einem weiteren Vorstand.
Und in all dem Getöse um Sex, Intrigen und Betrug erkannte niemand den tödlichen Tumor, der die Landesbank längst befallen hatte und sich rasend schnell immer weiter ausbreitete.
Denn tatsächlich war längst eingetreten, was Branchenkenner prophezeit hatten: Das Geschäftsmodell funktionierte nicht. Von Krediten an Fitnessbuden und Nagelstudios konnte die Landesbank nicht leben, sie suchte nach Gewinnbringern mit einer ordentlichen Rendite.
Deshalb hatte Weiss schon Anfang 1998 den Investmentbanker Claus-Harald Wilsing von der DGZ, heute DekaBank, abgeworben. Die Leipziger waren beeindruckt von dem smarten Jungbanker, der schöne Anzüge trug und fließend Englisch sprach. Er sollte die Provinzkasse aufs glatte Parkett des internationalen Finanzmarkts führen, dorthin, wo größere Margen zu holen waren.
Der Aufbau einer internationalen Truppe ging zäh voran. Profis waren für Leipzig schwer zu begeistern, schon gar nicht für Sparkassengehälter. Also schlug Wilsing die Gründung einer Bank im Ausland vor. Am besten in einer Steueroase.
Die Idee gefiel. Bald wurde der Verwaltungsrat nach Prag gekarrt. In einer eiligen Sitzung stimmten die Landräte und Sparkassenleiter, Unternehmer und Politiker, die für die Anteilseigner im Aufsichtsgremium saßen, der neuen Tochter Sachsen LB Europe mit Sitz in Dublin zu.
Der Einstieg in die Welt der hochkomplexen Finanzprodukte war gefunden. Von Anfang an produzierte der Ableger Gewinne, Wilsing avancierte zum Star der Bank. Seine Chefs daheim verstanden schon bald nicht mehr, was ihr Wunderknabe eigentlich so trieb. Doch die Anteilseigner, allen voran die Sparkassen und Kommunen, pochten auf üppige Ausschüttungen. Woher das Geld kam, wie es gemacht wurde, wer wollte das schon so genau wissen? Dublin war die Rettung für die Sachsenbank, das wusste jeder. Das Beratungsunternehmen McKinsey riet der Sachsen LB im Jahr 2000 sogar, das unrentable Geschäft mit sächsischen Firmenkunden völlig aufzugeben.
Ganz so offensichtlich konnte sich die Landesbank nicht von ihrem satzungsgemäßen Auftrag lossagen. Wenigstens ein Teilgeschäft sollte in Sachsen bleiben.
2001 leitete Weiss den entscheidenden Strategiewechsel ein. Ab sofort durften Kreditgeschäfte außerhalb des Bundeslandes nur noch mit Kunden getätigt werden, die ein Rating der großen Agenturen - Moody's, Standard & Poor's oder Fitch - hatten. Innerhalb Sachsens wurden die Rentabilitätsanforderungen angezogen.
Kreditvorstand Eckhard Laible widersetzte sich heftig. Er hatte begriffen, dass damit vor allem das Geschäft in Dublin ausgebaut werden sollte. Riskant fand er das - und unangemessen für eine Landesbank. Doch seine Bedenken wurden abgewiesen, allerorten.
Laible kündigte. Es sollte Jahre dauern, bis wieder jemand wagte, das Dublin-Engagement in Frage zu stellen.
Die irische Geldmaschine lief auf Hochtouren. Schon 2002 retteten ihre Gewinne die Mutterbank vor einem negativen Ergebnis. Die Anteilseigner genossen die hohen Ausschüttungen. So war der Schock groß, als Wilsing 2003 ankündigte zu gehen. Als unabhängiger Player könne er auf dem heißen Markt der verbrieften Finanzprodukte weit mehr Geld verdienen. Erschrocken gestattete ihm die SLB, neben seinem Job eine eigene Firma zu gründen. Der stellte sie insgesamt 400 Millionen Euro Spielgeld zur Verfügung.
Wilsing blieb. Noch im gleichen Jahr entwickelte er ein Finanzprodukt, das die Sachsen LB in völlig neue Sphären katapultieren sollte. Es war eine Zauberkonstruktion, wie sie in der Bankenszene gerade in Mode kam. Smarte Bilanzingenieure hatten herausgefunden, wie sich die strengen Eigenkapitalvorschriften der Banken umgehen ließen: Durch Einzweckgesellschaften, die niemandem eindeutig zuzuordnen sind. Der Trick: Was der Bank nicht gehört, muss nicht in deren Bücher. So dienten Einzweckgesellschaften vor allem einem Zweck: die Finanzaufsicht ganz legal an der Nase herumzuführen.
Diese sogenannten Conduits tauchten nie in den Bilanzen auf, wohl aber deren Gewinne. Die entstanden durch den Kauf langfristiger Auto-, Studien- oder Immobilienkredite, die wiederum durch kurzfristige Anleihen finanziert wurden. Diese Anleihen - darin bestand das Risiko - mussten alle paar Wochen erneuert werden. Die Differenz zwischen den Einnahmen aus den Kreditzinsen und den Ausgaben für die niedrigen Anleihezinsen blieb als Gewinn hängen.
Es schien, als hätten die Banker das Perpetuum mobile gefunden. Keiner konnte sich damals vorstellen, dass der Markt für kurzfristige Anleihen einmal versiegen könnte. Niemand empfand es als Wahnsinn, jeden Monat aufs Neue darauf zu vertrauen, dass Großanleger erneut zu den Kurzfristpapieren griffen. Bis zum Sommer 2007 schien die Sache todsicher.
Auch die Sachsen LB Europe spielte mit bei der wundersamen Geldvermehrung. 2003 entwickelte Wilsing den Conduit Georges Quay, benannt nach einer renommierten Uferstraße in Dublin. Das Volumen: fünf Milliarden Euro. Ein Jahr drauf, am 12. März 2004, folgte Ormond Quay. Er sollte sich zu einem Ungeheuer auswachsen, das schließlich seinen Schöpfer frisst. Denn diesmal war alles größer, waghalsiger - und vor allem gefährlicher.
Mit Ormond wollte Wilsing das ganz große Rad drehen. Doch da gab es ein Problem. Die Sachsen LB galt in der Finanzszene als wenig potent. Einzig die Staatsgarantie sorgte für Sicherheit. Wenn die 2005 wegfiele, würde die Bankgruppe in die zweite Liga abrutschen.
Wilsing musste handeln. Um Käufer für die Kurzfristanleihen von Ormond Quay zu finden, brauchte er ein solides Kredit-Rating. Und so kam ihm eine Idee, die letztendlich zum Untergang der Bank führte. Die Mutterbank in Leipzig übernahm vier Prozent der Risiken. Die restlichen 96 Prozent übernahm die Dubliner Tochter, für die wiederum über eine Patronatserklärung auch die Mutter haftete. Eine tödliche Vollkasko-Versicherung namens "valuation agreement".
Am 28. Mai 2004 erhielt Ormond von Standard & Poor's das ersehnte Rating A-1+. Bis zu fünf Milliarden Euro konnte Wilsings Truppe fortan einsammeln, um hochkomplexe Kreditpapiere zu kaufen. Das große Rad drehte sich.
Daheim in Leipzig war nicht jedem wohl dabei. In einer brisanten Stellungnahme des Kreditrisikomanagements vom 17. Juni 2004, in der es um Ormond Quay ging, stellten die hauseigenen Experten minutiös, erfrischend verständlich und in Fettdruck fest: Die Sachsen LB Europe und die Sachsen LB übernähmen "fast alle wesentlichen wirtschaftlichen Risiken aus der Finanzierungsstruktur für das Euro 5 Mrd. Programm".
Sie sahen den Abgrund - und zogen dennoch einen fatalen Schluss. Wenn ein Notfall einträte, könne man Kreditpapiere in den "Eigenbestand der Sachsen LB übernehmen", heißt es erschreckend naiv am Ende des Dokuments. Das Risiko aus der Finanzierungsstruktur sei deshalb "insgesamt überschaubar".
Das Szenario, dass die Bank infolge einer Finanzkrise kurzfristig mit einem bis zu zweistelligen Milliardenbetrag einspringen muss, war offenbar außerhalb jeglicher Vorstellungskraft. Niemand glaubte, dass der 100-Prozent-Bürgschaftsfall je eintreten würde. Die Stellungnahme der Revisoren sollte das letzte Mal sein, dass das komplexe Vertragswerk von Ormond Quay und dessen Zerstörungspotential ausführlich beschrieben wurde.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beobachtete das unbekümmerte Jonglieren der Sachsen mit den verpackten Kreditrisiken mit Unbehagen, zumal das lahmende Inlandsgeschäft der Landesbank nicht als Gegengewicht taugte. Schon 2002 entsandten sie Prüfer, doch zwei Jahre später hatte sich das mulmige Gefühl eher verstärkt denn gelegt. Also beauftragten sie am 30. August 2004 die Wirtschaftsprüferfirma KPMG mit einer zweiten Sonderprüfung. Die BaFin wollte wissen, ob die Risiken der komplexen Finanzprodukte gesetzeskonform "gesteuert und überwacht" werden.
Monatelang wühlten sich die KPMG- Prüfer bis in den Keller der irischen Außenstelle. Ihr Fazit im April 2005: verheerend. Sie prangerten "erhebliche Unzulänglichkeiten in der Dokumentation" an, einen Verwaltungsrat ohne "Gesamtüberblick" und eine "beeinträchtigte Funktionsfähigkeit der Internen Revision".
Kreditpapiere mit einem Volumen von über 13 Milliarden Euro führten in den Büchern des Bankkonzerns eine Art Eigenleben, fanden die Prüfer heraus. Noch schlimmer stand es um die sagenumwobenen Conduits: Risikopapiere mit einem Umfang von über 30 Milliarden Euro schlummerten größtenteils in Dublin. Insgesamt 13 außerbilanzielle Zweckgesellschaften fand KPMG nach einer "langwierigen Suche", so ein Insider. Auch Ormond Quay war darunter.
Im trockenen Prüferdeutsch watschte die KPMG die Leipziger in ihrem Schlussbericht ab: "Die revisionsmäßige Nachvollziehbarkeit und risikomäßige Transparenz der Geschäfte in selbst gemanagten außerbilanziellen strukturierten Finanzierungsprodukten ... ist nicht im erforderlichen Umfang gegeben." Die Botschaft war klar: Das Risikomanagement musste dringend verbessert werden.
Die Gescholtenen gelobten Besserung. Ende 2006 vermeldeten sie stolz: Alle angemahnten Schwächen seien behoben, die BaFin hätte das bestätigt.
Es sollte nichts nützen. Denn ohne dass es irgendjemandem auffiel, war den Sonderkontrolleuren der KPMG und der BaFin wohl einer der größten anzunehmenden Prüfunfälle des deutschen Bankwesens passiert. Statt in sämtliche außerbilanzielle Geldtöpfe hineinzuschauen, wurden nur drei im Detail geprüft. Aus der Liste, die KPMG ihrem Auftraggeber vorlegte, hatte die BaFin eine Stichprobe ausgesucht, aus Kostengründen. Ormond Quay war nicht dabei. Das einzige Konstrukt, das das Potential hatte, die Bank zu zerstören, blieb unentdeckt.
Wilsings Lieblingsgeldmaschine erscheint im KPMG-Bericht nur in einer Liste, in der das "bilanzwirksame Engagement Sachsen LB" für Ormond Quay mit 147 Millionen Euro angegeben wird. Tatsächlich beläuft es sich bereits im August 2004 faktisch auf rund 2,8 Milliarden Euro, weil der Konzern eine vollständige Verlustgarantie übernommen hat. Von der Vollkasko-Versicherung für Ormond Quay wussten weder KPMG noch die BaFin. Beide kannten zu diesem Zeitpunkt nur den Namen der Zeitbombe, das Ticken hörten sie nicht.
Derweil erhöhte Top-Banker Wilsing das Tempo. Bevor die Staatsgarantie für die Bank Mitte Juli 2005 wegfiel, wollte er noch möglichst viel davon in die Zukunft retten. Also beantragte er bei seiner Muttergesellschaft eine Verneunfachung der Liquiditätslinie für Ormond Quay.
Das anvisierte Volumen schnellte von 5 auf 25 Milliarden Euro. Maximal möglich wurden schwindelerregende 41 Milliarden Euro - bei einem Eigenkapital der Sachsen LB von kläglichen 1,5 Milliarden Euro. Ein krasses Missverhältnis.
Da wurde es zumindest zwei Verwaltungsräten mulmig. Bei der Kreditausschusssitzung am 16. Juni 2005 wollte Sparkassenvorstand Arthur Scholz wissen, ob bei dem Dublin-Engagement "deutsche Maßstäbe des Risikocontrollings" angewandt werden. Ein Vorstand beschwichtigte. KPMG habe ja bereits "in ihrer Sonderprüfung diese Strukturen geprüft", sagte er - obwohl das für Ormond Quay erwiesenermaßen nicht zutraf. Eine glatte Lüge? Oder hatte nicht einmal der Vorstand den Bericht genau gelesen?
Staatssekretär Christoph Habermann hakte nach. Er erkundigte sich nach den "Auswirkungen einer Immobilienspekulationsblase" und dem "möglichen Maximalausfall" im Falle einer Krise. Spätestens jetzt hätten die Banker die Karten auf den Tisch legen müssen. Doch statt mit einfachen Worten das Milliardenrisiko einer 100-prozentigen Haftung zu schildern, gab der Vorstand eine für Laien eher kryptische Antwort. Der Verlust würde "für die Sachsen LB bei 4 % liegen, da die Papiere bei einem Preis von 97 % verkauft werden müssen". Darüber hinausgehende Kursverluste würde die Sachsen LB Europe tragen und damit der Sachsen-LB-Konzern. Alles klar?
Natürlich nicht. Da Habermann vom ganzen Ausmaß der tödlichen Garantie nichts wusste, konnte er auch nicht ahnen, dass die Sachsen LB im Notfall nicht nur für ein paar wenige, sondern für 100 Prozent einstehen musste.
Danach wurde das fatale "valuation agreement" - also die 100 Prozent Risikohaftung für Ormond Quay - nie mehr erwähnt. Wirtschaftsprüfer, Bankaufseher und Verwaltungsräte sahen tatenlos und meist unwissend zu, wie eine Landesbank mit Tempo 200, aber ohne Bremsen durch die Finanzwelt bretterte.
Die Verwaltungsräte wähnten sich in Sicherheit. Die meisten hatten längst aufgegeben, das komplizierte Dublin-Engagement zu verstehen. Auf ihren Sitzungen, denen immer ein Vertreter der BaFin und der Bundesbank beiwohnte, diskutierten sie lieber über Handfestes: die Beteiligung an Windparks, den Aufbau des Güterzentrums Leipzig, die Finanzierung von Hollywood-Filmen. Alle erinnern sich gern an eine Sitzung bei Porsche in Leipzig, nach der sie im vierradgetriebenen Cayenne über die hauseigene Cross-Teststrecke donnerten, immer rund ums naturbelassene Auerochsengehege.
Wiederholt wurde den Verwaltungsräten erklärt, dass Dublin nur mit erstklassigen Papieren handeln würde, also kein Risiko bestünde. Triple A sei praktisch eine Lebensversicherung. Sagte der Vorstand, sagte die BaFin, sagte die KPMG und sagten auch die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC).
Triple A: So lautete das große Mantra vor der Kreditkrise. Weltweit hatte sich die Finanzbranche auf diese Wahrheit geeinigt: Wo Triple A draufsteht, ist Sicherheit drin. Die drei Buchstaben dienten als Währung, mit der eine gigantische, grenzüberschreitende Geldindustrie angetrieben wurde.
Hinter den Kulissen der Hochfinanz jedoch war diese Währung längst aufgeweicht. In den USA hatten Heerscharen provisionsgieriger US-Kreditmakler Millionen von Häuslebauern Finanzierungen aufgeschwatzt, die diese sich gar nicht leisten konnten. Selbst Billig-Bretterbuden in schlechtesten Wohngegenden wurden dank gestundeter Zins- und Tilgungszahlungen bis unter die Decke beliehen.
Die Drückerkolonnen der Hochfinanz interessierte nur der Bonus, nicht die Bonität. Das Geschäft galt als todsicher. Denn mit Hilfe moderner Finanz-Alchemie ließen sich die Ramschhypotheken - im englischen Fachjargon "subprime" genannt - bequem entsorgen. Die Banken beschafften sich frisches Kapital für die Vergabe neuer Darlehen, indem sie die alten Schrottforderungen weiterverkauften.
New Yorker Investmentbanker schnürten dann aus einzelnen Immobilienkrediten milliardenschwere Pakete. Sie tranchierten sie in Risikoklassen mit verschiedenen Renditen und verkauften die entsprechenden Papiere wieder an andere Banken weiter. Hübsch verpackt sahen die vermeintlichen Geldmaschinen in den besten Risikoklassen am Ende ganz harmlos aus - und vor allem sicher. Die Rating-Agenturen gaben reihenweise Unbedenklichkeitserklärungen ab.
Statt Warnhinweisen wie "Der Kauf dieses Finanzinstruments kann für Ihre Bank tödlich sein" prangte auf den Zinspapieren mit dem statistisch kleinsten Verlustrisiko die Bestnote. So wurde aus Schrott plötzlich Gold. US-Hypothekenpapiere galten als gleich sicher wie ein deutscher Bundesschatzbrief, warfen aber deutlich mehr Rendite ab. Ein Wunder? War Rendite jetzt ohne Risiko zu haben?
Niemand wollte darüber nachdenken. Wie ein Schild trugen die Banker das Triple A vor sich her - obwohl alle wussten, dass Rating-Agenturen wie Moody's und Standard & Poor's für die Vergabe der Noten bezahlt wurden - wohlgemerkt vom Verkäufer der Papiere.
Man hat es nicht wissen können, sagen die Banker heute. Triple A galt damals als sicher, wehren sich die Prüfer. Auch für die BaFin waren die drei Buchstaben gleichbedeutend mit: kein Risiko. Gemeinsam einigte man sich nach der Kreditkrise auf eine neue Wahrheit: Im Nachhinein sei man immer schlauer, doch damals war keine Gefahr abzusehen.
Tatsächlich? Selbst für die subalternen Kreditrisikoexperten auf der "Sachsen-Titanic" war die Scheinsicherheit der Ratings kein Geheimnis. Drei Jahre vor Ausbruch der Subprime-Krise stellten sie fest, dass "die verfügbaren Statistiken wesentlich durch zurückgezogene Ratings beschönigt sind, deren Häufigkeit z. B. bei Moody's in jeder Ratingklasse um ein Vielfaches über den gemessenen Ausfallraten liegt".
Im Klartext: Die Sachsen argwöhnten, dass die Rating-Agenturen ihre Irrtümer gern kaschierten. Geriet ein Produkt ins Wanken, wurden oft ganze Vehikel aus der Liste gestrichen, statt die Bestnote nach unten zu korrigieren. So gab es in der offiziellen Scheinwelt kaum Pleitefälle, die das Prädikat AAA trugen.
Trotzdem hielt der Sachsen-LB-Vorstand an dem Triple-A-Märchen fest. Warum auch aussteigen? Wo sonst ließ sich so leicht Geld verdienen? Weniger als ein Jahr nach der Kreditausschusssitzung im Sommer 2005 hatte Ormond Quay Papiere im Wert von 9,29 Milliarden Euro im Topf. Der Bruttogewinn betrug zwar nur knapp 8 Millionen Euro, aber dafür musste man dem irischen Fiskus für das Geschäftsjahr 2005 auch nur 250 Euro abgeben.
Das Jahr 2005 brachte einen verhängnisvollen Personalwechsel an der Spitze der Sachsen LB. Nach dem unrühmlichen Abgang von Vorstandschef Weiss übernahm der Sparkassendirektor Herbert Süß. Der honorige 65-Jährige saß zuvor jahrelang im Verwaltungsrat der Sachsen LB und ihrer Dublin-Tochter. Er kenne sich aus, dachte man. Bei den irischen Kollegen galt er als netter Sparkassenonkel, der allerdings wenig verstand von komplexen Finanzstrukturen. Dafür holte sich Süß einen alten Bekannten, Stefan Leusder von der WestLB. Leusder hatte in Frankfurt zuletzt für seinen Arbeitgeber eine japanische Bank abgewickelt. Für Süß sollte dieser Mann das Monster in Irland zähmen. Stattdessen fütterte er es.
Er hatte freie Bahn: Wilsing war bei dem Versuch, die Dublin-Bank zu verkaufen, am Widerstand der Leipziger gescheitert. Die liebäugelten zu der Zeit damit, mit der WestLB zusammenzugehen, und wollten ihre Mitgift nicht verlieren. Wilsing wechselte als Vorstand zur Deutschen Apotheker- und Ärztebank und nahm die besten seiner Mitarbeiter mit. Allerdings blieb er den Sachsen verbunden: Er verkaufte ihnen weiterhin hochriskante Kreditpapiere. Über seine SLB-Zeit will er heute nicht mehr sprechen.
Mit einem Schlag wurde die Bank daheim und in der Ferne von einer B-Mannschaft geführt. Und die machte verhängnisvolle Fehler. Schnell hatte sich in Investmentbankerkreisen rumgesprochen, dass man bei denen nun jeden Schrott loswird. Unter Kapitalmarktvorstand Leusder schwoll das Anlagevolumen auf ein Mehrfaches an. Gleichzeitig sank die Qualität: Anders als Wilsing griff Leusder massiv zu US-Papieren. Die zahlten höhere Renditen, waren aber riskanter. Dazu will sich Leusder nicht äußern.
Der Crashkurs blieb offenbar unbemerkt. Im Geschäftsbericht 2006 lobte das Management Ormond Quay als international preisgekrönte Finanzstruktur, die "die Wahrnehmung und Wertschätzung der Managementqualitäten der Sachsen LB Europe" beweise.
Auch im März 2007 lief noch alles ruhig. Ormond Quay besaß jetzt Papiere im Umfang von über 15 Milliarden Euro. Die Risiken, fand die interne Revision später heraus, wurden "in keinem der Risikoberichte dargestellt".
Das zielt auch auf PwC, die seit Jahren die Bilanzen der Sachsen LB und ihrer profitablen Tochter prüften. Wäre es nicht ihre Aufgabe gewesen, das Unternehmen akribisch zu durchleuchten? Spätestens als der verheerende KPMG-Bericht die Mängel in Dublin offenlegte, hätten sie sich jeden einzelnen der Conduits vorknöpfen müssen, meint so mancher Insider.
Doch ob sie das Risiko schlicht nicht realisierten oder einfach für unerheblich hielten: In ihren Prüfberichten fehlt über Jahre jeder klare Hinweis auf die tödliche Zerstörungskraft von Ormond Quay. Auch im Verwaltungsrat kann sich niemand erinnern, jemals von PwC auf das Risiko hingewiesen worden zu sein.
Im Gegenteil: Noch am 16. April 2007, kurz vor dem Zusammenbruch der Bank, gaben die Buchprüfer in einer Sitzung des Bilanzprüfungsausschusses Entwarnung. Sie hatten explizit den Auftrag, die wundersamen Geschäfte der irischen Tochter nochmals eingehend durchzusehen. Ihr Fazit: "Das Risikotragfähigkeitskonzept sowie die Gesamtverlustobergrenze sind für die Geschäftsstruktur grundsätzlich angemessen."
Geprüft hatte man allerdings nur die Papiere in den Büchern der Banktochter. Verpflichtungen für die außerhalb der Bilanz geparkten Milliardenkonstrukte ließ man - abgesehen von der Erwähnung der Gewinne - außer Acht.
Es schien wie verhext. An die Bombe, die im Keller der Bank tickte, wollte oder konnte sich niemand erinnern. Ungerührt schaufelten Süß und Leusder weitere Ramschpapiere in ihre Depots. Kurz vor der nahenden Kreditkrise investierten sie nochmals in US-Subprime. Im Sommer 2007 dann bekamen die Sachsen die tödliche Rechnung präsentiert. Die Hypothekenblase platzte.
Immer mehr Amerikaner konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Aufgeschobene Zinszahlungen wurden reihenweise fällig. Wie pestizidverseuchte Tomaten, die plötzlich in Tiefkühlpizzen, Tütensuppen und Konservendosen auftauchen, hatten die mehrfach verpackten Sünden der Hypothekenmafia rund um den Globus die Depots verseucht. Panisch trennten sich Investoren von Papieren, die tatsächlich oder nur gefühlt mit US-Immobilienleichen in Verbindung standen - Giftmüll hießen die nun in der Szene.
Die Sachsenbanker schienen den Ernst der Lage immer noch nicht zu begreifen. Noch am 1. August gab der Vorstand dem nervös gewordenen Finanzministerium beruhigende Antworten. Wenige Tage später brach der Markt für Kurzfristanleihen zusammen. Jener, der bislang Ormond Quay am Leben gehalten hatte.
Die Kernschmelze begann. In einem Eilbeschluss vom 14. August musste der Vorstand hastig frische Liquidität für Ormond Quay bereitstellen.
Eine Sitzung jagte die nächste. Das Risikomanagement präsentierte ein Horrorszenario nach dem anderen. Ein schneller Ausstieg aus dem Milliardenpoker war nicht mehr möglich, ein Verkauf der Papiere aufgrund der Kursstürze zu schmerzhaft. "Diese Verluste würden die Tragfähigkeit der Bank übersteigen", warnten sie anfänglich. In Dublin regierte das Chaos: Die Haftungsfrage war plötzlich unklar, Rechtsanwälte wurden mit Klärung beauftragt.
In einer Notfallaktion übernahm die Mutter für 2,1 Milliarden Euro Papiere von Ormond Quay. Dann war Schluss, mehr konnte die schmalbrüstige Bilanz nicht stemmen. Der Risikobericht meldete auch für andere Bereiche: "Die Substanz für weitere nennenswerte Eigenmittelnachlieferungen besitzt die Bank nicht mehr." Innerhalb von zehn Tagen war das Institut stehend k. o.
In letzter Sekunde sprang der Landesbanken-Pool ein, mit einem Kreditrahmen von 17,5 Milliarden Euro. Doch auch das reichte nur ein Weilchen zum Überleben.
Am Ende konnte nur ein Notverkauf an die Landesbank Baden-Württemberg die Pleite abwenden - und damit einen Dominoeffekt auf dem Finanzmarkt verhindern.
Nach langem Gefeilsche um Garantien, Verlustverteilungen und den Preis übernahmen die Stuttgarter das Bankwrack per 1. Januar 2008. Der Freistaat Sachsen, und damit der Steuerzahler, haftet weiterhin für 2,75 Milliarden Euro, falls es zu Ausfallverlusten kommt.
Doch wer trägt die Verantwortung für das beispiellose Desaster? Auf der Politikseite musste Finanzminister Metz (CDU) gehen, im Frühjahr 2008 stolperte Ministerpräsident Milbradt über ein Privatgeschäft, das er als Verwaltungsratschef mit der Bank gemacht hatte.
Süß, der jeden Kommentar zum Thema verweigert, wurde schon vorher entlassen. Gegen Vorstände ermittelt der Leipziger Staatsanwalt. "Der Vorstand hat die möglichen Auswirkungen der Subprime- bzw. Finanzmarktkrise auf die SLB viel zu spät erkannt", urteilen die Prüfer von Ernst & Young in ihrem Bericht vom März 2008, in dem sie das Desaster durchleuchten sollten. Außerdem sei das tödliche "valuation agreement" - also die 100-prozentige Haftung für Ormond Quay - in den "Risikomanagementsystemen der Bank nicht erfasst" worden.
Vor allem die Prüfer von PwC stehen am Pranger: "Mitte März 2005 wurde der Jahresabschluss 2004 der SLB aufgestellt, geprüft und in der Folge verabschiedet, ohne dass ein Hinweis auf diese speziellen Risiken enthalten war", schreibt Ernst & Young. Dasselbe gilt für die Jahresberichte 2005 und 2006. "Die betroffenen Abschlüsse wurden sämtlich von Abschlussprüfern mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen."
Für PwC könnte das heikel werden: Sachsens Finanzministerium hat eine Kanzlei beauftragt, Schadensersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfunternehmen zu eruieren.
PwC weist alle Vorwürfe zurück. Die Beziehungen der Sachsen LB zu Ormond Quay seien in den Prüfungsberichten "ausführlich dargestellt", sagt eine Sprecherin. Man habe "weder einen Fehler noch eine Pflichtverletzung oder ein Versäumnis begangen". Die Prüfer stellen sich auf den Standpunkt, dass die Verluste "zu dem damaligen Zeitpunkt bei funktionsfähigen Märkten nicht vorstellbar" waren, und schieben den Schwarzen Peter zu KPMG. Konkrete Risiken seien "vom Sonderprüfer nicht festgestellt worden".
Warum die BaFin nicht Alarm schrie, weshalb sie Ormond Quay nicht prüfen ließ, sollte deren Chef Jochen Sanio bereits vor Wochen vor dem sächsischen Untersuchungsausschuss erklären. Doch das Bundesfinanzministerium verpasste ihrem Oberkontrolleur einen Maulkorb.
Es sei nicht üblich, dass ein Angestellter einer Bundesagentur vor einem Landesausschuss aussagt, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums. Und Steinbrücks Staatssekretär Axel Nawrath teilte den Sachsen mit, eine Beantwortung der Fragenkomplexe "würde notwendigerweise die Offenlegung der Arbeitsweise und der Bewertung von Vorgängen" innerhalb der Bankenaufsicht zulassen.
Eigentümlich, dass das unbedingt verhindert werden muss. Der Untersuchungsausschuss will Sanio und das Ministerium nun per Gerichtsentscheid zur Aussage zwingen.
Doch wer auch immer die Schuld am Untergang der SLB zugesprochen bekommt. Was bleibt, ist der Ramsch in den Depots. Noch gab es keine Ausfälle. Doch in die Bilanz will der neue Besitzer LBBW den Sachsenschrott auch nicht nehmen.
Also griffen die Schwaben zu einem bewährten Trick. Sie lagerten die hochriskanten Papiere einfach aus. In eine Einzweckgesellschaft.
BEAT BALZLI, MICHAELA SCHIEßL, STEFFEN WINTER