Agenturen dpa, 11:52 Uhr, 10.08.2008
Kür in Honeckers Heimat: Saar-Linke macht Lafontaine zum Spitzenmann
Von Sebastian Raabe
Neunkirchen (dpa) - Oskar Lafontaine schont niemanden. Auf dem Landesparteitag der Saar-Linken am Samstag im Bürgerhaus von Neunkirchen rechnet der Bundesvorsitzende mit der CDU ab, mit der SPD und Teilen der Gewerkschaften. Gut eine Stunde redet sich der bald 65-Jährige hier in der Geburtsstadt Erich Honeckers in Rage, bis er in völlig verschwitztem Hemd dasteht. Die etwa 130 Delegierten belohnen die Wortgewalt mit der Kür zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Saarland 2009.
92,4 Prozent stimmen dafür, dass Lafontaine darum kämpfen soll, das zu werden, was er für die SPD von 1985 bis 1998 schon einmal war: Ministerpräsident in Saarbrücken. Der Wahlkampf im kleinsten deutschen Flächenland ist gut ein Jahr vor dem Urnengang eröffnet. Dabei geht es für Lafontaine aber um Größeres: Er will die Linke in seiner Heimatregion stärker als die SPD machen und damit die Republik verändern. Die Wahl an der Saar sei nichts weniger als «eine Richtungsentscheidung für Deutschland». Ziel: die erste rot-rote Koalition im Westen.
Nach Kritik auch an SPD-Landeschef Heiko Maas reicht Lafontaine seiner ehemaligen Partei wieder die Hand und erneuert sein Angebot an die Sozialdemokraten, mit den Linken eine Koalition einzugehen. Bedingung: Maas solle ein Bündnis mit der Union ausschließen. Lafontaine selbst will nur als Regierungschef wieder Politik im Saarland machen. Um seine Person gehe es nicht, sondern um Sachpolitik, behauptet der ehemalige SPD-Chef und teilt mächtig aus.
Die CDU-Alleinregierung unter Ministerpräsident Peter Müller habe «kläglich versagt». Müller gehöre «in die Wüste geschickt». Der CDU- Ministerpräsident wiederum bezeichnet seinen «Herausforderer» von der Linken als «idealen Gegner» - und «begnadeten Demagogen». Lafontaine gibt in seiner Rede ironisch zurück: «Ganz Deutschland ist ja gespannt, ob dieser große Staatsmann im Amt bleiben wird.»
Lafontaine spricht viel über Landespolitik und die Themen, die die Menschen an der Saar umtreiben: das rasche Ende des Steinkohlebergbaus, die Stahlindustrie, den Strukturwandel, die Bildungspolitik. Überall sei die Union gescheitert. Oft erzählt er von den Dingen, die «wir» erreicht haben. Damit meint er nicht nur den Aufbau der Saar-Linken, sondern auch seine ehemalige SPD- Regierung. Für die SPD im Land ist die Lage schwierig - läuft sie doch Gefahr, nur eine Statistenrolle zu spielen.
Müller wie Maas nehmen Lafontaine das Ziel Staatskanzlei allerdings nicht ab. «Unredlich», sagt der CDU-Regierungschef, von «Theaterdonner» spricht SPD-Mann Maas, der früher unter Lafontaine Staatssekretär war. Dennoch: Der Antritt des ehemaligen Landesvaters könnte die politische Landkarte gründlich verändern. Unter Lafontaine trauen Demoskopen der Linken mehr als 18 Prozent zu. Für die SPD wäre das ein Drama. Ihr Ziel, Müller abzulösen, könnte sie dann ohne Linke kaum verwirklichen. Unter Lafontaine werde es keine rot-rote Koalition nicht geben, versichert Maas. Aber was, wenn die SPD den Ministerpräsidenten stellen könnte? Dazu schweigt Maas.
Das Jahr 2009 mit Kommunal-, Europa-, Landtags- und Bundestagswahl wird im Saarland jedenfalls ein heißer Tanz. Die Einladung dazu verschickte Lafontaine von einem besonderen Ort: Neunkirchen ist nicht nur die Geburtsstadt Honeckers - hier hatte Lafontaine den damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden 1987 auch persönlich getroffen. Dass zwei Jahrzehnte später genau dort die Nachfolgepartei der SED Lafontaine zum Spitzenkandidaten macht, das hätten sich «die Beteiligten damals wohl nicht träumen lassen», sagt Oberbürgermeister Friedrich Decker (SPD).
dpa sbr/du yyrs a3
cs 101152 Aug 08