Agenturen ddp-lsc, 15:20 Uhr, 29.08.2008
Legaler Landtagsausschuss zur «Sachsen-Sumpf»-Affäre
Verfassungsrichter rügen Regierung für Weigerung der Aktenherausgabe
Leipzig (ddp-lsc). Mehr als ein Jahr nach Einsetzung des Landtagsuntersuchungsausschusses zur Aktenaffäre steht dessen Rechtmäßigkeit außer Zweifel. Der sächsische Verfassungsgerichtshof in Leipzig rügte am Freitag die «pauschale» Verweigerungshaltung der Staatsregierung, die dem Ausschuss bislang die Herausgabe sämtlicher Akten verweigert hatte. Damit habe sie dessen verfassungsmäßigen Rechte verletzt. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) kündigte eine «vertiefte Prüfung» des Urteils an. Durch den Erfolg der Organklage des Ausschusses sieht sich neben der Opposition auch Koalitionspartner SPD bestätigt.
Das Gremium war im Juli 2007 vom Landtag eingesetzt worden, konnte aber unter anderem wegen der fehlenden Akten bislang noch keine Zeugen vernehmen. Unter Verweis auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hatte die Regierung dem Ausschuss alle angeforderten Unterlagen vorenthalten. «Jedenfalls nicht in ihrer Gesamtheit» hätten die Akten verweigert werden dürfen, urteilten die Richter. Damit seien die Rechte des Gremiums verletzt worden. Zwar berührten Teile des Untersuchungsauftrags den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dies führe jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des Einsetzungsbeschlusses in seiner Gesamtheit.
Ausschusschef Klaus Bartl (Linke) sprach von einem «klaren Sieg». Die Klage vor dem Verfassungsgerichtshof habe das Gremium jedoch ein Jahr gekostet, «das ist der bittere Beigeschmack». Der komplette Untersuchungsauftrag könne angesichts der in einem Jahr anstehenden Landtagswahl nicht mehr abgearbeitet werden, sagte Bartl. Nun werde er der Regierung kurze Fristen zur Herausgabe der Unterlagen setzen.
SPD-Ausschussobmann
Karl Nolle nannte das Urteil eine «schallende Ohrfeige für alle vordemokratischen Versuche der CDU, Regierungshandeln parlamentarischer Kontrolle zu entziehen». Die «CDU-Strategie der Ausflüchte, des Verschleppens und Hinhaltens» sei gescheitert.
Mackenroth widersprach diesem Vorwurf: «Jeder Verfassungsverstoß ist einer zu viel». Der Zeitverlust des Untersuchungsausschusses sei allein von der Opposition verschuldet worden, die für den «überzogen» formulierten Einsetzungsauftrag gesorgt habe. Dass dieser «in Teilen verfassungswidrig» sei, stehe nun fest.
FDP-Obmann Jürgen Martens sieht den Ausschuss nun in der Pflicht, sich «auf den Kern der Affäre, das heißt auf die politische Verantwortung für das verfassungswidrige Handeln des Landesamtes für Verfassungsschutz» zu konzentrieren. Notfalls müsse die Aufklärung auch in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden.
Linke-Obfrau Caren Lay kündigte an, auf der nächsten Ausschusssitzung am Dienstag darauf zu drängen, dass die Verfassungsschutzakten beigezogen und «vorrangig die Menschen als Zeugen befragt werden, die sie verfasst haben». Aufgearbeitet werden müsse etwa «die mutmaßliche Verselbstständigung einer Abteilung des Verfassungsschutzes» und «das mögliche Versagen der Rechtsaufsicht durch das Innenministerium».
Die auch als «Sachsen-Sumpf» bezeichnete Affäre war im Mai 2007 durch Bekanntwerden einer Datensammlung des Verfassungsschutzes zu angeblichen kriminellen Netzwerken mit Beteiligung hochrangiger Juristen ausgelöst worden. Die in dem Dossier aufgelisteten Vorwürfe reichten angeblich von Amtsmissbrauch bis Kinderprostitution und Bandenkriminalität. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte im Frühjahr 2008 sämtliche Ermittlungen gegen die Juristen ein.
(Az: Vf. 154-I-07)
(Quellen: Gericht in Urteilsbegründung und in Mitteilung; Bartl auf Anfrage; alle anderen in Mitteilungen)
Von Tino Moritz
ddp/tmo/mwa
291520 Aug 08