Karl Nolle, MdL

Agenturen, dpa/sn, 15:36 Uhr, 30.09.2008

Aktenaffäre: Datenschützer kritisiert Geheimdienst und Ministerium

 
Dresden (dpa/sn) - Sachsens oberster Datenschützer Andreas Schurig hat dem Verfassungsschutz und dem Innenministerium des Freistaates in der Aktenaffäre ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) habe ein «seine Arbeit betreffendes Urteil» der Verfassungsrichter über ein Jahr lang missachtet und massiv in die Persönlichkeitsrechte auch völlig Unbeteiligter eingegriffen, sagte Schurig am Dienstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aktenaffäre. Die Möglichkeit zur Änderung der Situation sei zweimal verpasst worden. Einen erheblichen Anteil an den Verfehlungen habe das Innenministerium «bis in die Spitze» hinein. «Eine Rechts- und Fachaufsicht hat nicht stattgefunden.» Erst mit dem personellen Wechsel im LfV im Sommer 2007 sei dieser Zustand geändert worden.

Schurig war als erster Zeuge im U-Ausschuss befragt worden. Dabei erinnerte er zunächst an die juristische Ausgangslage. Sachsens Verfassungsgericht hatte 2005 entschieden, dass die Organisierte Kriminalität (OK) nicht in die Zuständigkeit des LfV fällt. Nur wenn Taten die freiheitlich demokratische Grundordnung bedrohen würden, dürfe die Behörde handeln, hieß es damals. Dennoch beobachtete der Geheimdienst unter Rechtsaufsicht von Ex-Innenminister Thomas de Maiziere und seines Nachfolgers Albrecht Buttolo (beide CDU) noch ein Jahr lang die OK in Sachsen. Dies hatte der Datenschützer bereits 2006 moniert.

Im Jahr darauf sorgten die OK-Akten des Geheimdienstes unter dem Stichwort «Sachsen-Sumpf» monatelang für Schlagzeilen. Das Material sollte angebliche Verbindungen von Politik, Justiz und Polizei zur Organisierten Kriminalität belegen. Die Vorwürfe bezogen sich auf Straftaten wie Korruption oder Amtsmissbrauch und erwiesen sich am Ende als unhaltbar. Externe Prüfer kamen zum Schluss, dass die Akten im LfV bewusst aufgebauscht worden waren. Schurig zufolge ging es bei seinen Kontrollen nicht um Inhalte der Akten. Ihm sei aber aufgefallen, dass die Vermerke häufig im Konjunktiv formuliert oder mit dem Wort «möglicherweise» versehen waren. «Der Verfassungsschutz arbeitet immer mit Gerüchten.»

Mit seiner Aussage habe Schurig die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen untermauert, wonach der Sachsen-Sumpf «nur eine Legende ist», äußerte die CDU im Anschluss. Vertreter der Opposition und des Koalitionspartners SPD zogen andere Schlüsse. Die FDP sah ihren Eindruck bestätigt, dass der «Verfassungsschutz völlig außer Rand und Band geraten war» und warf dem Innenministerium ein klares Versagen vor. Die Linken halten de Maiziere und Buttolo für «schwer belastet». Genau wie der SPD-Abgeordnete Karl Nolle gingen sie davon aus, dass die Akten keinesfalls nur Gerüchte enthalten.

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301536 Sep 08

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