http://www.mdr.de/sachsen, 28.11.2008
Der sächsische Affärenmacher: Karl Nolle
Porträt
Karl Nolle ist das wohl ungewöhnlichste Mitglied der sächsischen SPD. Er ist Druckereibesitzer, Verleger und Kunstmäzen, fährt Mercedes-Limousinen und muss Anzüge in Übergröße tragen. Seit 1999 ist Nolle Mitglied des Landtages und sorgt in der Landespolitik immer wieder für Aufregung.
Karl Nolle verweist darauf, dass er im Grunde bereits als streitbarer Sozialdemokrat geboren wurde. Schließlich habe schon sein Urgroßvater 1890 wegen plakatierens für die SPD im Gefängnis gesessen. Nolle selber wird schon als Lehrling SPD-Mitglied, 1986 setzt ihm die Partei jedoch zeitweilig den Stuhl vor die Tür, wegen der "Unterstützung feindlicher Organisationen". Er war im Wahlkampf für ein rot-grünes Bündnis gegen die CDU eingetreten. Auch auf wirtschaftlichem Gebiet ist der Niedersachse äußerst agil. Schon drei Jahre nach seiner Lehre gründet Nolle in Hannover eine Druckerei, in den siebziger Jahren betreibt er mit dem späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder eine gemeinsame Firma. In Dresden stürzt sich Nolle 1991 in sein größtes wirtschaftliches Abenteuer: Er übernimmt eine konkursreife Großdruckerei und saniert das Unternehmen. Sechs Jahre später überträgt Nolle ein Viertel der Geschäftsanteile der Druckerei an seine rund 60 Mitarbeiter.
"Man darf aus seinem Herzen keine Mördergrube machen und sollte auch kein Blatt vor den Mund nehmen."
Karl Nolle, Landtagsabgeordneter
Den Weg Nolles in die sächsische Landespolitik ebnete 1999 Karl-Heinz Kunkel. Der SPD-Fraktionschef und Spitzenkandidat zur Landtagswahl berief den Unternehmer in sein Wahlkampfteam. Nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei gab Kunkel den Partei- und Fraktionsvorsitz jedoch auf. Karl Nolle hingegen machte als frischgebackener SPD-Landtagsabgeordneter sehr schnell klar, dass er den von Kunkel über fast ein Jahrzehnt gepflegten Kuschelkurs zur regierenden CDU nicht fortsetzen wird. Nolle offenbarte sich als kritischer Geist und begann Fragen zu stellen.
Zunächst als Obmann der SPD in einem Untersuchungsausschuss der Landtages, der sich mit der sogenannten "Paunsdorf-Affäre" beschäftigt. Es geht um die Frage, ob Ministerpräsident Kurt Biedenkopf einem befreundeten Bauunternehmer Vorteile verschafft hat. Der CDU-Politiker übersteht die Attacken der Opposition, doch dann beginnt Karl Nolle im Februar 2001 erneut zu fragen: nach Biedenkopfs Hausangestellten, die vom Freistaat bezahlt werden. Nach der billigen Dienstwohnung des Ministerpräsidenten und dessen Privatfahrten mit Dienstwagen. Kurt Biedenkopf ist empört und zugleich machtlos gegen immer neue Details, die Karl Nolle ans Tageslicht zerrt. Seine brisanten Informationen erhält Nolle offenbar auch aus CDU-Kreisen, die Biedenkopfs Ära beenden wollen.
Nolles Vorgehen führt zu innerparteilichem Streit
Nach Kurt Biedenkopfs Rücktritt im April 2002 gilt Karl Nolle nicht nur in der sächsischen Union als Nestbeschmutzer, auch konservative SPD-Genossen im Umfeld der Landesvorsitzenden Constanze Krehl haben offenbar Probleme mit Nolles Verständnis von Oppositionsarbeit. Zur offenen Auseinandersetzung kommt es im Juni 2004, beim einem Parteitag zur Aufstellung der SPD-Liste zu Landtagswahl. Krehl will Karl Nolle auf einen aussichtlosen Listenplatz abschieben und damit aus dem Landtag drängen.
" Karl Nolles Außenwirkung ist verheerend! Je bekannter Karl Nolle ist, desto weniger wählbar sind wir."
Gunter Weissgerber, SPD- Bundestagsabgeordneter aus Leipzig, im Juni 2004
Thomas Jurk, der Fraktionschef der SPD im Landtag und neue starke Mann der sächsischen Sozialdemokratie, stellte sich jedoch demonstrativ hinter Karl Nolle, dessen innerparteiliche Gegner gehen als klare Verlierer aus dem Machtkampf hervor. Nolle darf weiter unbequem bleiben. Nach der Landtagswahl 2004 bekommt das auch der Koalitionspartner CDU immer wieder zu spüren. In einer Landtagsdebatte kritisiert Nolle "die nicht aufgearbeitete Blockparteien-Vergangenheit der CDU". Doch auch gegenüber seiner eigenen Partei teilt der Unternehmer aus. So bezeichnet er den neuen SPD-Wirtschaftsminister Thomas Jurk als "inkompetent". Ein Bruch zwischen Nolle und seinem Förderer Jurk ist die Folge. Kritische Fragen stellt das SPD-Schwergewicht weiter. Etwa nach Vorgängen in der Führungsetage der Sachsen LB und nach deren dubiosen Geschäften im Ausland. Nolles Fragen im Landesbank- Untersuchungsausschuss sind gefürchtet.
"Wer solche Koalitionspartner hat, der braucht keine Feinde mehr."
Günther Schneider, CDU-Landtagsabgeordneter
Nolle-Opfer Georg Milbradt (CDU): Rücktritt nach brisanten Fragen im UntersuchungsausschussAnfang April 2008 richtet Nolle dann plötzlich brisante Fragen an Georg Milbradt, will wissen, welche Privatgeschäfte dieser mit der maroden Sachsen LB getätigt hat. Der bereits angeschlagene Ministerpräsident räumt private Kredite ein, ebenso den Besitz von Anteilen an einem Fonds, dem das Gebäude der Landesbank gehört. In der Regierungskoalition bricht daraufhin ein offener Streit aus. "Man kann nicht Mitglied der Regierung sein und gleichzeitig deren Repräsentanten in Misskredit bringen", schimpft CDU-Generalsekretär Kretschmer. Nur zehn Tage nach Nolles Befragung im Untersuchungsausschuss kündigt Georg Milbradt seinen Rücktritt an.
Broschüre über "Blockflöten"
Nolles jüngstes Projekt ist eine Broschüre, die beweisen soll, dass die CDU in Sachsen ihre DDR-Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat. Ministerpräsident Stanislaw Tillich sei darin nur einer von rund 100 dokumentierten Fällen, erklärt Karl Nolle. Er habe die Lücken in Tillichs Biografie ganz bewusst zum jetzigen Zeitpunkt an bundesweite Medien lanciert, gibt Nolle offen zu. Ziel sei es gewesen, der CDU vor ihrem Stuttgarter Bundesparteitag eine Debatte über die Vergangenheit der ostdeutschen Landesverbände aufzuzwingen. "Und dass ist wohl gelungen", meint der SPD-Politiker.
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